Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 06

zm 110, Nr. 6, 16.3.2020, (543) JURISTISCHE STELLUNGNAHME VON DR. WALTER KONRAD UND RA EMANUEL WILD „Wenn sie behandeln, machen sich die Studenten strafbar“ D ie deutsche Regelung ist ein- deutig. Nur der approbierte Zahnarzt darf die Zahlheilkunde ausüben, § 1 ZHG (Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde i.d.F.d.Bek.v. 16.4.1987, BGBl. I 1225). Die bisher geltende Approbationsord- nung für Zahnärzte vom 26.01.1955, BGBl. III, 2123–2, ist mit Wirkung vom 1.10.2020 vorbehaltlich von Über- gangsregelungen außer Kraft gesetzt durch die Verordnung zur Neu- regelung der zahnärztlichen Ausbil- dung vom 18.7.2019 (BGBl. I, S. 933). Die dort unter Art. 1 neu gestaltete „Approbationsordnung zur Ausbildung von Zahnärzten und Zahnärztinnen“ (ZApprO), in Kraft ab dem 1.10.2020, soll hier zukunftsgerichtet Anwendung finden. Eine Ausbildungssituation im Sinne des § 7 ZApprO oder ein Famulatur- verhältnis im Sinne von § 15 ZApprO zwischen Dr. W. und den Studenten im Hilfseinsatz liegen nach dem Sach- verhalt nicht vor. Die Absprache, bei Problemen den verantwortlichen Zahnarzt augenblicklich zu informie- ren, vermag kein Ausbildungs- oder Famulaturverhältnis zu konstruieren. Nach deutschem Recht ist das von W. und den Studierenden im Hilfseinsatz abgesprochene regelmäßige Vorgehen ungesetzlich und rechtswidrig. In Deutschland kommt ein zahnärztlicher Behandlungsvertrag in aller Regel mit dem Träger der Zahnklinik oder dem Inhaber der zahnärztlichen Praxis zu- stande. Das eingesetzte Personal hat grundsätzlich keine vertraglichen Be- ziehungen zum Patienten. Vertragliche Schadensersatzansprüche, §§ 280, 281, 611ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), richten sich deshalb nur gegen den Träger beziehungsweise den Inhaber, die – in Anspruch genommen – gegebenenfalls dienst- oder arbeits- rechtliche Regressansprüche gegen ihr Personal prüfen können. Dagegen richten sich Schadensersatz- ansprüche wegen unerlaubter Hand- lung, §§ 823ff. BGB, gegen den unmit- telbar Handelnden (hier: die Studenten im Hilfseinsatz), aber auch gegen den, der eine Garantenpflicht verletzt hat (hier: Dr. W.), unbeschadet einer hier nicht einschlägigen beamtenrecht- lichen Verweisungsmöglichkeit nach § 839 BGB. W. hat vertraglich die Verantwortlichkeit für den Einsatz der Studenten im Hilfseinsatz über- nommen. Sie unterliegen in ihrem Vorgehen seinen Weisungen. Er hat eine Garantenpflicht, dass diese nur im Rahmen des rechtlich Zulässigen vor- gehen. Daher wird er sich auch nicht nach § 831 BGB exkulpieren können. Für entstandene Schäden haften nach deutschem Recht der Träger der Therapie- einheit auf vertraglicher Grundlage und die mittelbar und unmittelbar Handelnden auf deliktischer Grund- lage. Der bloße Wille zur Hilfe steht der zivilrechtlichen Haftung der Helfer nicht entgegen. Ein entstandener Schaden wird voll zu ersetzen sein, es sei denn, dem Patienten könnte ein Mitverschulden angelastet werden. Jedoch kann der humanitäre Antrieb bei der Bemessung der Höhe eines Schmerzensgeldes berücksichtigt werden. Allerdings kommt wegen zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche nicht das deutsche, sondern das Zivilrecht des je- weiligen südamerikanischen Staates zur Anwendung, auch wenn vom je- weiligen Kläger ein deutsches Gericht anstelle des für den Handlungsort zuständigen Gerichts des jeweiligen südamerikanischen Staates angerufen werden sollte, Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Par- laments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuld- verhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), Verordnung vom 17.6.2008 (Amtsblatt L 177 vom 4.7.2008, S. 6, ber. Amtsblatt L 309 vom 24.11.2009, S. 87). Der ärztliche Eingriff ist nach deutschem Recht tatbestandsmäßig stets eine Körperverletzung im Sinne von § 223 StGB (Strafgesetzbuch), die nur dann nicht rechtswidrig ist, wenn in sie zumindest konkludent wirksam einge- willigt wurde oder ein rechtfertigender Notstand i. S. v. § 34 StGB vorlag. § 34 StGB lautet: „Wer in einer gegenwärti- gen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigen- tum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Inte- ressen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesent- lich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, DIREKTOR DES AMTSGERICHTS A. D. DR. WALTER KONRAD Foto: privat | 33

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