Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 06

zm 110, Nr. 6, 16.3.2020, (544) soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.“ Im ersten Schritt wäre zu prüfen, ob der Patient oder dessen gesetzlicher Vertreter in eine Behandlung durch die Studenten im Hilfseinsatz nach entsprechender Aufklärung einge- willigt hätten. Ein Anspruchsteller wird dies in aller Regel, beraten durch einen Anwalt, überzeugend in Abrede stellen. Eine gegenwärtige, nicht anders ab- wendbare konkrete Gefahr für Leben oder Leib i. S. v. § 34 StGB kann nach dem Sachverhalt nicht angenommen werden. Die drei Helfer gehen absprache- gemäß regelmäßig so vor, weil die Anzahl der zu behandelnden Patienten sie dazu drängt. Die eng zu beurteilen- den Voraussetzungen für einen recht- fertigenden oder auch für einen entschuldigenden Notstand i.S.v. § 35 StGB liegen ebenfalls nicht vor. § 35 Abs. 1 Satz 1 StGB lautet: „Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit eine rechtswidrige Tat begeht, um die Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person abzuwenden, handelt ohne Schuld.“ Darüber stellt § 18 ZHG die Ausübung der Zahnheilkunde ohne Approbation (oder ohne sonstige Ausnahmeregelung, s. § 18 Ziffer 1 ZHG) unter Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. Unmittelbar Handelnde wären die Studenten im Hilfseinsatz. W. hat ver- traglich die Verantwortlichkeit für den Einsatz der Studenten im Hilfseinsatz übernommen; er hat somit eine Ga- rantenpflicht im Sinne von § 13 StGB, dass die Studenten im Hilfseinsatz nicht entgegen § 1 ZHG handeln, wo- nach nur approbierte Zahnärzte die Zahlheilkunde ausüben dürfen. Seine Strafbarkeit kommt somit ebenfalls in Betracht. Der Wille zur Hilfe würde die Straf- barkeit der Helfer nicht beseitigen. Jedoch könnte der humanitäre An- trieb bei der Frage, ob überhaupt und welche Strafe in welcher Höhe zu ver- hängen sei, berücksichtigt werden, wenn deutsche Strafverfolgungsbehör- den mit diesen Auslandstaten über- haupt befasst wären. Die deutschen Strafverfolgungsbehörden werden jedoch die in Südamerika begangenen Taten nicht verfolgen. Nach § 3 StGB stehen grundsätzlich nur im Inland begangene Taten unter Strafe. Die enumerativen Voraussetzungen nach § 5, § 6 oder § 7 StGB, um im Ausland begonnene Straftaten in Deutschland verfolgen zu können, liegen nicht vor. In den südamerikanischen Staaten bestehen vergleichbare Regelungen über die Ausübung der Zahnheilkunde, zum zivilrechtlichen Schadensersatz und zur Strafandrohung, wie eine exemplarische Untersuchung zu den Staaten Argentinien, Bolivien, Ecuador und Venezuela schließen lässt. In Argentinien regelt das „Ley para el ejercicio de la Medicina, Odontología y Actividades de Colaboración – Ley No 17.132 Decreto No 6.126 / 67“ die Zulassung zur Tätigkeit im Bereich der Zahnmedizin, in Bolivien das „Reglamento para el Ejercicio de la Odontología y Servicios Auxiliares, aprobado por DS 18886 de 15/03/1982“, in Ecuador das „Ley de defensa profe- sional de odontologos y mecanicos dentales, Codificación 8“ und in Vene- zuela das „Ley de ejercicio de La Odon- tología vom 27. 07.1970“. Alle vier beispielhaft genannten Staaten verlangen eine besondere Zulassung für die Ausübung der Zahnheilkunde mit Registrierung bei den Ministerien für Gesundheit und Soziales, in Vene- zuela zusätzlich eine Eintragung in ein öffentlich einsehbares Register. Gesetz- liche Ausnahmen für den Einsatz von Hilfskräften, insbesondere hilfswilligen Studierenden, sind nicht ersichtlich. Wegen Verstößen gegen die Zulassungs- gesetze sehen alle vier Staaten Geld- strafe, Argentinien auch Gefängnis- strafe vor, vgl. Art. 128 des Ley para el ejercicio de la Medicina, Odontología y Actividades de Colaboración i. V.m. Art. 208 Codigo penal de la Nation Argentina (Ley 11.179), oder auch Art. 218 des bolivianischen Código Penal (aprobado por DL 10426 de 23/08/1972, elevado a rango de Ley por Ley 1768 de 10/03/1997). Alle diese vier südamerikanischen Staa- ten haben wegen der zivilrechtlichen Haftung und wegen der allgemeinen Strafandrohung mit Deutschland ver- gleichbare gesetzliche Bestimmungen, z.B. wegen Körperverletzung nach Art. 89 Codigo penal de la Nation Argentina (Ley 11.179). Sollten die Helfer ihre Absprache für einen regelmäßigen Einsatz der stu- dentischen Helfer umsetzen, laufen sie Gefahr, sich nach den Vorschriften des jeweiligen Einsatzstaates strafbar und zivilrechtlich haftbar zu machen. Die Gerichtsbarkeit des jeweiligen Einsatz- staates wäre von Hause aus für das Verfahren nach dem jeweiligen Recht des Einsatzstaates gegeben. Die nach Deutschland zurückgekehrten Helfer laufen auch Gefahr, im jeweiligen Ein- satzstaat in ihrer Abwesenheit zum Schadensersatz verurteilt zu werden. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, ein solches ausländisches Urteil in Deutschland zur Vollstreckung zu brin- gen. Daher sollten genau die Einsatz- kriterien und die Anforderungen an die Bewerbungsunterlagen der Hilfs- organisationen für den Einsatz von Zahnärzten, Studenten und Zahntech- nikern (zum Beispiel für Ecuador und Bolivien: http://www.fcsm.org/volunta riate-2019.html , http://www.fcsm. org/bewerbung-.html und http:// www.fcsm.org/studierende.html ) ein- gehalten werden. \ RECHTSANWALT EMANUEL WILD Rechtsanwälte Berger & Berger Brentanostr. 34, 63755 Alzenau in Unterfranken info@ra-berger.de Foto: privat 34 | GESELLSCHAFT

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