Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 13

zm 110, Nr. 13, 1.7.2020, (1345) Haus. Unseren Zahnputzworkshop geben wir dann auch direkt vor Ndundas Haustür. Am Straßenrand wird gekocht, Wasserkarren werden vorbei geschoben und Müllsammler laden gegenüber Plastikabfälle zum Weiterverkauf ab. Wäsche flattert wie tausend farbige Fahnen an den brüchigen Häuser- fassaden und der Geruch des modrigen Abwassers steigt uns in die Nase. Die Verstopfung der oberirdischen Ab- wassersysteme sei ein großes Problem, erklärt uns Ndunda beim Rundgang. Für uns unvorstellbar, in diesen Ver- hältnissen leben zu müssen. Ndundas großer Traum ist ein Häus- chen im Grünen, wo er Sportler und Sporttrainer ausbilden und trainieren will. Dafür spart er seit Jahren. Das sei auch ein Grund, warum er noch in diesem – kostengünstigen – Viertel lebe. Er und seine Familie hausen da- bei noch verhältnismäßig komfortabel in drei Räumen: ein winziges Wohn- zimmer, ein Schlafzimmer und ein Zimmer, wo die Kinder im Doppel- stockbett schlafen. In diesem winzigen Kinderzimmer steht auch das gesamte Küchenmobiliar: Gaskocher, Kühl- schrank, Küchenschrank. Ich schätze die gesamte Wohnung auf 18 bis 20 Quadratmeter – mit dem gesamten Hausstand von vier Erwachsenen. Un- glaublich, welche Logistik dazu gehört, trotz dieser Umstände, für uns ein köstliches Abendmahl zu bereiten. Die meisten Familien im Viertel müssen mit nur einem Zimmer aus- kommen und haben häufig mehr als zwei Kinder. Und genau diese vielen Kinder strahlen uns unentwegt an und wollen die „Muzungus“ aus Germany mal anfassen. Keiner bettelt und nur das Fehlen der gemeinsamen Sprache verhindert vertiefende Gespräche mit den Slum-Bewohnern. Ndunda übersetzt unsere Worte in Suaheli und ich denke oft „Hakuna matata“, was so viel be- deutet, wie „Sorge Dich nicht – LEBE!“ Einige Wochen später, Ende März, am Ostufer des Tanganyikasees, erreicht auch uns das „Virus der Angst“ und wird Teil dieser Reise. Lange bevor sich die Coronaviren hier verbreiten, nisten sie sich in den Köpfen ein, werden allgegenwärtig. Aufgrund von Schulschließungen, Versammlungs- einschränkungen, Touristenflucht, leeren Lodges und geschlossenen öf- fentlichen Gebäuden, kommt unsere Mundgesundheitsmission aus voller Fahrt schlagartig zum Stehen. THIRTYSIX-POINT-TWO LAUTETE DER FREISPRUCH Plötzlich gibt es jetzt an jedem öffent- lichen Eingang Behälter mit Wasser und Händedesinfektion. Vor größeren Ortschaften stoppt uns regelmäßig die Gesundheits-Polizei und wir reihen uns in die Schlange ein, nehmen die Helme ab, um den erlösenden Infrarot- kopfschuss mit gesenktem Haupt zu empfangen. „Thirtysix-point-two“ lautet der Freispruch und wir dürfen weiterfahren. Nicht auszudenken, was uns bei Fiebersymptomen erwartet hätte. Die strengen Kontroll- und Hygienemaßnahmen sind die Bollwerke eines Kontinents, der es gewohnt ist mit Epidemien zu koexistieren. Cholera, Tuberkulose und nicht zuletzt Ebola gehören als wiederkehrende Plagen zum Leben. Die kontinuierlich im TV wiederholten Sarg-Szenen aus der Ersten Welt reaktivieren die Angst. „Wenn das Virus kommt, werden die Menschen hier sterben wie die Fliegen“, repetieren die Moderatoren und werden nicht müde an Hygiene, Mundschutz und Abstandshaltung zu appellieren. Sambia als vorletztes Land unserer ge- planten Reise wird zur Sackgasse. Die Grenzen nach Botsuana, Namibia und Südafrika sind für Touristen unüber- windbar. Eine Sondergenehmigung der namibischen Botschaft ist unsere letzte Hoffnung, doch noch von Windhuk die Heimreise anzutreten. Wochenlang in Warteschleife zu verharren, ist eine neue Lernaufgabe für uns, die wir bisher fast jeden Tag an einem neuen Ort übernachteten. Inzwischen sind wir trotz minimiertem Flugangebot fast termingerecht nach Deutschland zurückgekehrt. Eines ist deshalb jetzt schon sicher: Die Reise ist nur unterbrochen und wird sobald wie möglich fortgesetzt. Auch zukünftige Dentists-on-bikes-Touren rund um den Globus sind bereits angedacht. Wir freuen uns deshalb sehr, wenn sich noch weitere Sponsoren bei uns melden. Wir sind von Herzen dankbar, einen Beruf auszuüben, der Sinn stiftet und überall gebraucht wird. Mit unserem Projekt wollen wir ein wenig zurückgeben. \ Ohne Unterstützer ist ein solches Projekt nicht zu stemmen. In vorderster Reihe stehen hier die Familienangehörigen und die Praxismitarbeiter von J&S Leipzig. Der Großteil der Finanzierung kommt aus eigenen Mitteln und wurde aufge- stockt durch Sachspenden und finanzielle Zuwendungen durch DIE ZA, der Praxis J&S Leipzig und von dental-qm. Über das Alumni-Netzwerk hat uns der Inter- nationale Trainerkurs der Universität Leipzig (ITK) viele Kontakte, beispielsweise zu Ndunda, in den bereisten Ländern ermöglicht. Wer tiefer in unser Reiseabenteuer ein- tauchen möchte, findet weitere Berichte unter www.dentistsonbikes.de. DR. RUDOLF LENZ dental-qm Weißenburgstr. 34, 24116 Kiel info@dental-qm.de Foto: privat Gespräch mit dem Massai-Häuptling in der Ngorongoro Conservation Area Unterm Baobabbaum nahe des Karibasees in Sambia Fotos: Dr. Rudolf Lenz

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