Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm 110, Nr. 18, 16.9.2020, (1682) Foto: Federico Rostagno – stock.adobe.com Leserforum FORTBILDUNG VERGRÖßERUNGSHILFEN NUTZEN UNKLAR Zum Beitrag „Fortbildung Vergrößerungshilfen in der Zahnmedizin: Vergrößerungshilfen in der Endodontie“, zm 15-16/2020, S. 46–55. Nach Michael Arnold gilt: „Der Nutzen des Mikroskops in der Zahnmedizin wurde vor allem in der Endodontie und Endo- chirurgie nachgewiesen [...].“ Lupenbrillen werden von ihm als endodontisches Hilfsmittel abgewertet: „spielen [...] kaum eine Rolle [...] maßgeblich[e] [...] ist das Mikroskop“. Leider werden die Kriterien für die verwendete Literatur seiner narrativen Über- sichtsarbeit nicht dargestellt. „Nutzen“ wird nicht in messbarem Sinne definiert. Sein Ergebnis lässt – weil es eklatant von dem einer systematischen Cochrane-Übersichtsarbeit 1 zum gleichen Thema abweicht – geringere methodische Ansprüche an die ausgewertete Literatur vermuten. Der Cochrane-Review kommt zu folgenden „Folgerungen für die Praxis“ [Übersetzung durch mich]: „Es gibt keine Nachweise, die Unterschiede in klinischen Behandlungsergebnissen zwischen Mikroskop, Endoskop oder Lupenbrillen für endodontische Behandlungen belegen oder zurückweisen können. Die Literatur besteht hauptsächlich aus In-vitro-Studien, sodass keine qualitativ hochwertigen Studien entsprechend der Kriterien dieser Übersichtsarbeit berücksichtigt werden konnten. Da es keine Belege aus prospektiven, rando- misierten Studien gibt, sollte der Kliniker seine Entscheidungen auf seine klinische Erfahrung stützen und auf die Wünsche des Patienten, sofern diese angemessen erscheinen.“ Als Kliniker, der ständig eine Lupenbrille der höchsten verfüg- baren Vergrößerung mit axialem LED-Licht trägt, mag ich mir Endodontie ohne Lupenbrille nicht mehr vorstellen. Ohne Mikro- skop kann ich bestimmte Fälle nicht lösen, vielleicht übersehe ich die eine oder andere Struktur. Aber ist das in nennenswertem Umfang relevant, in welchem? Dazu gibt es (s. o.) keine hoch- wertigen Studien (RCTs, d. h. randomisierte kontrollierte Studien sind immer prospektiv). Arnold referiert zum Beispiel eine retrospektive Studie, die bessere Therapieerfolge am mb2 erster OK-Molaren durch das Dentalmikroskop nachweisen soll („Khalighinejad, 2017“). Retrospektive Studien sind für eine solche Aussage ungeeignet, wie detailliert für Kompositfüllungen nachgewiesen wurde, wo sich die Aussagen aus retrospektiven und prospektiven Studien hochgradig widersprechen. 2 Ursache sind diverse Selektions- effekte, über die spekuliert werden kann, hier zum Beispiel: Warum wurden initial manche Molaren mit dem Mikroskop behandelt, andere nicht? Finanzielle Anreize mit Auswirkung auf die Behandlungssorgfalt? Fehleinschätzungen des klinischen Schwierigkeitsgrades? Solche Verzerrungen sind nur durch ein prospektives Studiendesign auszuschließen. Primär sollte sich der Kliniker daher nur für solche RCTs und deren Bewertung in hoch- wertigen Übersichtsarbeiten wie von Cochrane interessieren. Die großartigen Darstellungen durch Michael Arnold, seine oft spektakulären endodontischen Falllösungen sind durch diese Kritik nicht berührt. Ob sie sich durch allgemeinen Mikroskop- gebrauch und mit welchem Unterschied zu den bisherigen Erfolgsraten verallgemeinern ließen, ist hingegen offen. 1 Del Fabbro M, Taschieri S, Lodi G, Banfi G, Weinstein RL. Magnification devices for endodontic therapy. Cochrane Database Syst Rev 2015;(12):CD005969. 2 Afrashtehfar KI, Emami E, Ahmadi M, Eilayyan O, Abi-Nader S, Tamimi F. Failure rate of single-unit restorations on posterior vital teeth: A systematic review. J Prosthet Dent 2017;117(3):345–353.e8. Michael Logies, Zahnarzt, Wallenhorst ES GIBT EINEN DIREKTEN KLINISCHEN BEZUG Dr. Michael Arnold zum Leserbrief von Michael Logies Lieber Kollege Logies, es freut mich, dass der Artikel Sie angeregt hat. Vielen Dank auch für die anerkennenden Worte. Es war nicht meine Absicht, Lupenbrillen als Vergrößerungshilfe gering zu schätzen, wie Sie auch im Folgeartikel der zm erkennen können (zm 17/2020). Vielmehr ist jede Art der Vergrößerung mit zusätzlicher Licht- zufuhr im klinischen Alltag der Zahnmedizin zu unterstützen. Antwort des Autors

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