Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 22

zm 110, Nr. 22, 16.11.2020, (2176) ML steckt auch hinter der heute am weitesten verbreiteten KI-Anwendung in der Medizin, dem sogenannten Maschinellen Sehen. WIE SEHEN MASCHINEN? Maschinen realisieren das Sehen völlig anders als Menschen. Menschen sehen auf Bildern Farben, Formen, Muster und Strukturen, die sich uns als Objekte mit Namen und Bezeich- nungen erschließen. Maschinen hin- gegen sehen in Bildern nur Zahlen, die den Intensitätswerten der einzel- nen Bildpunkte (Pixel) entsprechen. Um Maschinen das Sehen beizubrin- gen, müssen zuerst Bildeigenschaften extrahiert und diese in prozessierbare Einheiten überführt werden. Dazu werden Bildfilter genutzt, die be- stimmte Bildeigenschaften (Kanten, Rundungen, Farben, Texturen, ...) hervorheben. Diese Filter scannen das gesamte Bild und sobald eine ent- sprechende Struktur erkannt wird, schlägt der Filter aus. Jeder Filter er- zeugt dadurch eine eigene Repräsenta- tion des Originalbildes. Manche Filter erkennen Kanten, andere Rundungen und wieder andere eine bestimmte Farbe. Durch den Einsatz von vielen Hunderten von Filtern auf demselben Bild wird eine riesige Anzahl an Bild- repräsentationen erstellt, die Inhalte und Strukturen im Originalbild beschreiben. Diese multidimensionale numerische Abbildung der Realität ist für den Menschen nicht mehr interpretierbar, beschreibt aber für die Maschine – abstrahiert in Zahlen – den Inhalt des Bildes. Diese als Tensor bezeichnete Datenstruktur kann nun mittels Methoden des ML analysiert werden, wobei gerade für Bilddaten eine beson- dere Form des ML, das sogenannte Tiefe Lernen („Deep Learning“) einge- setzt wird. Hierbei werden künstliche neuronale Netzwerke (KNN) eingesetzt, die aufgrund ihrer mathematischen Eigenschaften als „universelle Approxi- mationsmaschinen“ gelten. Diese KNN werden wie oben dargelegt mit anno- tierten Bilddatensätzen trainiert und 1943 Entwicklung des künstlichen Neurons 1957 Präsentation des künstlichen neuronalen Netzwerkes 1960er 1. KI-Winter 1990er 2. KI-Winter 1980er Regel-basierte Expertensysteme 2006 Deep Learning 2015 Neuronale Netzwerke übertreffen die menschliche visuelle Kognition 2015/16 AlphaGo schlägt den weltbesten Go-Spieler 2020 OpenAI veröffentlicht GPT-3, ein KI- basiertes System zur Generierung von Texten, die sich in ihrer Qualität, Ausdruck und Kreativität nicht mehr von Menschen verfassten Texten unterscheiden lassen 2020 Erste KI-basierte zahnmedizinische Softwaresysteme erlangen Marktreife (z.B. dentalXrai Pro) 2018 Sundar Pichai, CEO von Google, vergleicht den Einfluss von KI mit der Disruption durch die Entwicklung der Elektrizität 2012 Neuronale Netzwerke werden erfolgreich für Bildklassifikation eingesetzt Abb. 2: Die Geschichte der KI ist durch Höhen und Tiefen gekennzeichnet; nach zahlreichen Rückschlägen ist der Optimismus heute größer als je zuvor. Quelle: Schwendicke, Gaudin, Krois Meilensteine in der Entwicklung der künstlichen Intelligenz 42 | ZAHNMEDIZIN

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