Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 22

zm 110, Nr. 22, 16.11.2020, (2211) mit Gisela Rasmus hatte er ein 1961 geborenes außereheliches Kind. 7 Er verstarb am 23. August 1967 in Köln. Wie aber war nun Schmidhubers Ver- hältnis zum Nationalsozialismus? 8 Tat- sächlich gehörte er – wie die in dieser Reihe bereits behandelten Professoren Heinrich Fabian 9 , Fritz Faber 10 und Hans Fliege 11 – zu den wenigen zahn- ärztlichen Hochschullehrern mit nach- weislicher Waffen-SS-Mitgliedschaft: Er trat am 1.6.1933 der SS bei (Nr. 204.869), wurde 1935 Sturmbannarzt, 1937 Oberscharführer und zuletzt Obersturmbannführer. Seit dem Früh- jahr 1933 war er zudem NSDAP-Mit- glied (Antrag April 1933, Aufnahme 1.5.1933, Nr. 3.512.460). 1935 trat er dem NS-Studentenbund bei. 1935/36 wurde er in Heidelberg zum Führer des NS-Dozentenbundes sowie im Mai 1937 zum Gaustellenleiter ernannt. 1939 schloss er sich noch dem NS- Ärztebund an – Eckart et al. vermuten nicht ohne Sarkasmus, dass diese späte Mitgliedschaft bei Schmidhuber zu- nächst „im Beitritts- und Laufbahn- absicherungstrubel ganz in Vergessen- heit geraten“ 12 war. Schmidhuber gehörte überdies zum Kreis der 38 zahnärztlichen Hochschul- lehrer, die sich nach Hitlers Macht- übernahme zur „Einheitsfront der Zahnärzte“ und zu „völliger Anerken- nung einer einheitlichen Führung und des Autoritätsprinzips“ bekannten. 13 Schmidhubers Hochschulkarriere nahm nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten rasch Fahrt auf. Wie erwähnt, wurde er schon im Früh- jahr 1933 in Bonn nach der Entlassung von Kantorowicz mit der kommissa- rischen Klinikleitung betraut. Bemer- kenswerterweise hatte Kantorowicz selbst Schmidhuber und Balters (nicht aber Korkhaus) als mögliche kommis- sarische Nachfolger ins Gespräch ge- bracht, um schlussendlich festzustellen: „Beide Herren dürften politisch auf einem Standpunkte stehen, der etwa dem der deutschnationalen Partei ent- spricht.“ Schmidhuber genieße jedoch das besondere „Vertrauen der Studenten- schaft“ und habe als „Arzt und Zahn- arzt“ den „besseren Blick“ für die „Gesamtaufgaben der Fakultät“. 14 1950 äußerte sich Kantorowicz im Rahmen eines Gutachtens dann erneut zur damaligen Situation. Dabei führte er aus, dass Schmidhuber bereits vor 1933 „der einzige gewesen war, der, auch als dies keinerlei Vorteile bot, niemals ein Hehl aus seiner weit nach rechts nei- genden Gesinnung gemacht hat, die ihm in seiner Studentenzeit und als Kriegsteilnehmer von seiner Umge- bung aufgeprägt war. Der Übergang zum Nationalsozialismus war für Schmidhuber [...] kein grosser Schritt.“ 15 Beim Bewerbungsverfahren um die Professur in Heidelberg hatte Schmid- huber sich unter anderen gegen Erwin Reichenbach 16 durchsetzen können, weil man ihn für den „entwicklungs- fähigeren“ Bewerber hielt. 17 1940 er- reichte er dann in Heidelberg mit dem Ordinariat den Höhepunkt der Professorenlaufbahn. Als Leiter des NS- Dozentenbundes nahm er an der Uni- versität Heidelberg zu diesem Zeit- punkt längst eine wichtige Position ein, in der er etwa über die politische Linientreue der Habilitanden befand. So lehnte er etwa 1940 den Habilita- tionsantrag des Rechtshistorikers Otto Gönnenwein an der Juristischen Fakul- tät trotz bester fachlicher Beurteilungen ab mit dem Argument, dass die Partei ihn „außerordentlich ungünstig“ be- urteile. Tatsächlich gab er sich Gön- nenwein gegenüber freundlich und wertschätzend, gelangte jedoch schrift- lich zu einem negativen Urteil („Es wäre besser, wenn Sie Ihre Fakultät nicht mit dem Genannten belasten würden“). 18 Auch „im Falle des HNO- Dozenten Wirth“ setzte Schmidhuber die „Hetz- und Verdrängungskampagne“ seines Amtsvorgängers fort und ver- hinderte so dessen „Achtungsaufstieg auf eine ao. Professur“. 19 In den meis- ten Fällen beließ er es allerdings, so das Resümee von Eckart et al., bei den „üblichen Kleindrangsalierungen eines Dozentenschaftsführers“. 20 EIN GESUNDES GEBISS FÜR MEHR WEHRFÄHIGKEIT Schmidhubers nationalsozialistische Gesinnung zeigte sich auch bei den von ihm angeleiteten Promotions- themen, wie Hans Jörg Staehle aktuell herausgearbeitet hat. 21 So beschäftigte sich Schmidhubers Doktorandin Johanna Jörger mit der Zulassung von Zahnärzten zu den Krankenkassen und stellte dabei initial fest: „Im national- sozialistischen Deutschland haben die Fragen der Volksgesundheit und der Gesundheitsführung des deutschen Volkes eine besonders große Bedeu- tung, denn die Gesundheitsführung bildet einen Teil der Menschenfüh- rung. [...] Der Nationalsozialismus kennt keine Wissenschaft um ihrer selbst willen. Alles unterliegt der zwin- genden Parole: Was dem deutschen Volke dient, was seine Gesundheit er- hält und fördert, ist gut.“ Weiter heißt es dort, die Leistung eines Volkes könne „nur bei Überwachung seines gesamten Lebens, all seiner Lebensäußerungen, seines Tuns und Handelns“ gesteigert werden. 22 Einem anderen Doktoranden übergab er das Thema „Die Bedeutung des Gebisses für die Wehrfähigkeit“. Dieser befand 1941, dass „ein gesundes 7 BArch PERS 6/15532; LA NRW, NW 172, Nr. 174; 8 Für die folgenden NS-bezüglichen Ausführungen zu Schmidhuber vgl. (sofern nicht anders ausgewiesen): BArch PERS 6/15532; BArch R 9361-III/180321; BArch R 9361-III/553550; BArch R 9361-VI/2661; BArch R 9361-VIII/20000079; BArch R 9361-IX/38470173; GStA PK, I. HA Rep. 76 Va Sekt. 3 Tit. IV Nr. 39, Bd. 16; LA Baden-Württemberg 465 q, Nr. 34956; LA NRW, NW 172, Nr. 174; StA Düsseldorf, V 42213; UA Bonn, PA 8812; UA Heidelberg, PA 1155 sowie 5677. Für Hintergrundinformationen zum Themenfeld NS-Zahn- medizin vgl. Groß, 2018c, 164–178; Groß, 2019, 157–174; Groß/Krischel, 2020, 24–27; Gross et al., 2018a; Schwanke et al., 2016, 2–39; 9 Groß, 2020a, 72–74; 10 Groß, 2020b, 72–74; 11 Groß, 2020f, im Druck; 12 Eckart/Sellin/Wolgast, 2006, 42; 13 Bitterich/Gross, 2020a, 103–125; 14 UA Bonn, MF 79/183; Forsbach, 2006, 340; 15 LA NRW, NW 172, Nr. 174; 16 Groß, 2020j, im Druck; 17 Langsch, 1992, 27; 18 Schäfer, 2015, 105; 19 Eckart/Sellin/Wolgast, 2006, 43; 20 Ebenda; 21 Staehle, 2020; 22 Jörger, 1939, 5; vgl. hierzu auch Staehle, 2020; PROF. DR. DR. DR. DOMINIK GROß Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der RWTH Aachen Universitätsklinikum Aachen, MTI 2 Wendlingweg 2, 52074 Aachen dgross@ukaachen.de Foto: privat GESELLSCHAFT | 77

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