Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 22

zm 110, Nr. 22, 16.11.2020, (2221) aber die Konkurrenzsituation ist nicht beängstigend. Die beiden Jungunter- nehmerinnen sind sicher: „Der Start hier war aufgrund der Übernahme viel einfacher als es bei einer Neugründung gewesen wäre – insbesondere in diesem Jahr.“ Die Übergabe wurde schnell abgewickelt: „Wir hatten zuerst überlegt, ob eine Übergangszeit Sinn machen würde, sind dann aber davon abgekommen. Denn wenn der Vorgänger oder die Vorgängerin da gewesen wäre, hätten wir im Hintergrund gestanden und wären nur so mitgelaufen. Wir wollten etwaiges Unwohlsein umgehen.“ Also wurde der Schnitt schnell und kollegial vollzogen. Sie haben elf Mitarbeiter und einen Azubi übernommen. „Viele aus dem Team arbeiten bereits über Jahrzehnte in der Praxis“, sagt Hettler. „Der Groß- teil ist älter als wir, das war für das Team überraschend, aber auch für die Patienten.“ Eine Mitarbeiterin ist sogar länger hier, als Hettler alt ist. Der ehe- malige Chef war Mitte 60 – die beiden sind 29 und 30 Jahre alt. Die Mitglie- der des Teams sind zwischen zehn und 30 Jahren dabei, fast alle haben ihre Ausbildung in der Praxis gemacht und sind geblieben. „Der Großteil war von Anfang an sehr offen, sie haben sich auf uns gefreut.“ Doch es gab auch ein wenig Skepsis. „Wir haben mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Gespräche geführt, damit alle die Gelegenheit hatten ‚ unter vier Augen‘ mit uns sprechen zu können. Wir möchten, dass jeder auch Kritik üben kann, wir wollen, dass jeder Mitarbeiter wahrgenommen und fair behandelt wird. Auf Augen- höhe mit den Mitarbeitern zu sein, ist für uns das A und O. Es soll Spaß machen, morgens zur Arbeit zu gehen.“ PATIENTEN AUF DEM LAND SIND OFT SEHR TREU Auch für die Patienten waren die Zahn- ärztinnen eine Überraschung. „Sie sind aber jung!“, haben sie oft gehört. Gefolgt von der Frage, ob man mal schätzen dürfe ... Am Ende konnten die meisten Stammpatienten durch die Qualität der Arbeit überzeugt werden. Erleich- ternd kommt hinzu, dass sich aus Sicht der beiden Neuen, die sowohl die Ar- beit in der Stadt als auch auf dem Land kennen, die Patienten durchaus unter- scheiden: „Es ist normal, dass bei einem Zahnarztwechsel ein paar Patienten gehen. Damit haben wir gerechnet, und das ist auch nicht schlimm. In der Stadt merkt man oft einen hohen Pa- tientenwechsel, die Patienten auf dem Land sind hingegen oft sehr treu.“ Anfangs sahen die beiden Zahnärztin- nen gelegentlich in fragende Gesichter im Team: „Warum machen die das so?“ Doch neu heißt nun mal auch anders. „Es gab kein OPG in der Praxis und so haben wir eines gekauft, weil es Standard ist. Und das Team hat sich mittlerweile daran gewöhnt, dass wir mehr Bilder machen als unser Vorgän- ger.“ Was noch neu ist: „Wir machen keine Amalgamfüllungen mehr, das wird in der Uni nicht mehr wirklich gelehrt und entspricht nicht unseren Ansprüchen. Bevor wir kamen, wurden in der Praxis viele Amalgamfüllungen gelegt. Das war eine Umstellung für Mitarbeiter und Patienten.“ Außerdem werden ausführliche Kos- tenbesprechungen durchgeführt. „Wir wollen, dass sich hinterher keiner ärgert. Das ist ein wichtiger Punkt für uns. Ich kenne das schließlich von mir, ich möchte ja auch wissen, wie viel ich bezahlen muss, und das Ge- fühl haben, ehrlich behandelt zu wer- den.“ Die beiden führten Aufklärungs- bögen für unter anderem Füllungen und Wurzelbehandlungen ein: „Das ist viel Papierkram, aber eben wichtig.“ „Es gab viele Fragen in der Startphase und extrem stressige Tage, aber wir ha- ben noch nie schlecht geschlafen. Wir wissen, dass Entscheidungen bei uns liegen und das empfinden wir nicht als Belastung.“ Mt der Übernahme seien sie nicht bei null gestartet: „Das wäre eine ganz andere Last gewesen.“ Wenn es mal wo hakt, halten sie sich vor Augen, dass das, was sie gerade machen, schon viele Zahnärzte vor ihnen geschafft haben. „Zahnmedizin wird immer existieren, auch mit Corona, das wussten wir immer und das war beruhigend.“ Ihr Ratschlag an alle, die von einer eigenen Praxis träumen: „Seid mutig und geht den Schritt ein- fach. Man darf nicht an sich selbst zweifeln, sondern muss an seine Praxis glauben und daran, dass man mit neuen Aufgaben mitwächst und sie bewältigen kann.“ silv Foto: Angelika Zwick In diesem Fachwerkhaus in Neustadt am Rübenberge in Niedersachsen wird praktiziert. STARTER | 87

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