Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 1-2

zm 111, Nr. 01-02, 16.1.2021, (72) Befunds im Bereich der Wirbelsäule erfolgte die Vorstellung des Patienten in der Klinik für Orthopädie. Da zum Zeitpunkt der Vorstellung keine Stabi- litätsgefährdung der Wirbelsäule und keine neurologischen Defizite bestan- den, blieb der Patient zunächst unter Beobachtung und ohne Initiierung einer antiresorptiven Therapie. Weitere chirurgische Maßnahmen zur Resektion der mandibulären Metastase wurden vor dem Hintergrund einer palliativen Behandlungssituation nicht durch- geführt. DISKUSSION Das klinische Bild eines Patienten mit einer indolenten, nicht verschieblichen, Antibiotika-refraktären Schwellung sollte immer auch an ein Malignom denken lassen. Differenzialdiagnos- tisch sollte der Behandler in erster Linie an Abszesse denken, die aber in der Regel eine ausgeprägte Schmerz- symptomatik aufweisen. Auch eine ausbleibende Besserung nach Inzision und unter Antibiotikagabe sowie nur geringgradig erhöhte Entzündungs- parameter machen ein septisches Ge- schehen unwahrscheinlich. Eine Pro- thesendruckstelle kann insbesondere bei neu angefertigten Prothesen eine schwierig zu differenzierende Diagnose sein, da es hier ebenfalls zu Schleim- hautulzerationen und (moderaten) Schwellungen kommen kann. Die Aus- dehnung der Schwellung nach peri- mandibulär sowie die destruierende osteolytische Raumforderung im Be- reich des Kieferwinkels machen diese Diagnose jedoch unwahrscheinlich. Weitere Differenzialdiagnosen können Osteomyelitiden des Kiefers sein. Auf- grund der unauffälligen Eigenanamnese des Patienten, bei der weder eine Ra- diatio noch eine Einnahme antiresorp- tiver Medikation beschrieben wurde, erscheint dies ebenfalls unwahrschein- lich. Auch eine ältere, eventuell unbe- handelt gebliebene Fraktur konnte eigenanamnestisch ausgeschlossen werden. Gutartige Raumforderungen wie beispielsweise Zysten erschienen aufgrund des Vincent-Symptoms ebenfalls unwahrscheinlich, da sich benigne Prozesse durch verdrängendes und nicht destruierendes Wachstum auszeichnen. Zur weiteren Diagnostik ist daher eine Probenentnahme und histologische Aufarbeitung indiziert. Die Erstmani- festation eines Karzinoms aufgrund einer Metastase im Kopf-Hals-Bereich liegt bei ungefähr 1 Prozent aller Tumoren [van der Waal et al., 2003; Zachariades, 1988]. Insbesondere der Unterkiefer scheint hier eine Prädilek- tionsstelle zu sein [Düker, 2000]. Neben dem hier beschriebenen Prostata- karzinom sind Mamma- und Lungen- karzinome sowie Malignome der Niere die häufigsten Primarien bei hämato- gener Fernmetastasierung in den Unter- kiefer (Tabelle 1) [Hirshberg et al., 2008]. Die Therapie solcher Befunde ist stark abhängig von der Prognose. Bei palliativ intendierter Therapie kann eine Ver- ringerung des Tumorvolumens erfol- gen, um den Patienten eine gesteigerte Lebensqualität zu verschaffen (Tumor- Debulking). Sind die Patienten trotz eines metastasierten Tumors in einem kurativ intendierten Therapieregime, sollte eine lokale Sanierung mittels Re- sektion und Rekonstruktion erfolgen. PROF. DR. MED. DENT. SEBASTIAN HAHNEL Universitätsklinikum Leipzig, Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde Liebigstr. 12, Haus 1, 04103 Leipzig Foto: Stefan Straube, UKL UNIV.-PROF. DR. MED. DR. MED. DENT. BERND LETHAUS, MHBA Universitätsklinikum Leipzig, Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie Liebigstr. 12, Haus 1, 04103 Leipzig Foto: Stefan Straube, UKL Abb. 5: CT-Abdomen mit Kontrastmittel, Weichteilfenster: Die sagittale Ansicht der CT- Aufnahme veranschaulicht das Ausmaß des lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinoms mit Infiltration der Harnblase. HÄUFIGKEIT DER METASTASIERUNG DER VERSCHIEDENEN PRIMÄRTUMOREN IM BEREICH DER MUNDHÖHLE Lokalisation des Primärtumors Lungenkarzinom Mammakarzinom Nierenkarzinom Kolonkarzinom Prostatakarzinom Übrige Karzinome Tab. 1, nach Hirshberg et al., 2008 Häufigkeit 16,6 % 16,4 % 9,6 % 5,9 % 4 % 24 % Foto: MKG, Universitätsklinikum Leipzig ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion ange- fordert werden. 74 | ZAHNMEDIZIN

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