Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 6

zm 111, Nr. 6, 16.3.2021, (487) EUROPÄISCHER GERICHTSHOF Berufsrecht bleibt Sache der EU-Mitgliedstaaten! Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat geurteilt, dass es Sache der EU-Mitgliedstaaten ist, ob sie bei Gesundheits- berufen einen partiellen Zugang zulassen oder nicht. Dabei lag die Frage zugrunde, ob für Berufe wie Arzt oder Zahnarzt, die nach der EU-Berufsqualifikationsrichtlinie europaweit von einer automatischen Anerkennung profitieren, das Konzept des Teilzugangs prinzipiell gilt. D er EuGH kommt in seinem Urteil zu dem Ergebnis, dass ein EU-Mitgliedstaat einen „partiellen Zugang“ bei den Berufen im Gesundheitswesen zulassen kann, die nach den Vorgaben der Berufs- qualifikationsrichtlinie (2005/36/EG) von einer automatischen Anerken- nung profitieren: Ärzte und Ärztin- nen, Krankenschwestern und -pfleger, Hebammen, Tierärzte und Tierärztin- nen, Zahnärzte und Zahnärztinnen sowie Apotheker und Apothekerin- nen. Gleichzeitig stellten die Richter klar, dass die Staaten bei Gesund- heitsberufen das Recht haben, einen partiellen Zugang aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses zu verweigern. Der französische Staatsrat Conseil d’État hatte auf Initiative der französischen Zahnärztekammer das Verfahren an- gestrengt. Er wollte wissen, ob das 2013 neu in die Berufsanerkennungs- richtlinie eingeführte Konzept des par- tiellen Zugangs auch für die Berufe gilt, die nach der Richtlinie einer auto- matischen Anerkennung unterliegen. Dieser Teilzugang erlaubt es Berufs- angehörigen, deren Ausbildungsinhalte von denen eines reglementierten Berufs im Zielland abweichen, auf Grundlage einer Einzelfallprüfung zu- mindest eine teilweise Anerkennung ihrer Abschlüsse zu erhalten. Nach Artikel 4 f der Berufsanerkennungs- richtlinie Absatz 6 greift der Teilzu- gang aber nicht für Berufsangehörige, für die die automatische Anerkennung ihrer Berufsqualifikationen gilt. Im November 2017 hatte Frankreich bei der Umsetzung der Berufsaner- kennungsrichtlinie jedoch einen par- tiellen Zugang für alle Heilberufe – einschließlich der Ärzte und Zahn- ärzte – eingeführt. Die französischen Heilberufsverbände wehrten sich – allen voran der Berufsverband der französischen Zahnärzte und die französische Zahnärztekammer. Sie meinten, der partielle Zugang könne nicht für Berufe gelten, bei denen EU- Recht die gegenseitige Anerkennung der Abschlüsse vorsieht. Hier sei nur ein „Alles oder Nichts“ möglich. Die französische Regierung, getragen von der Europäischen Kommission, argu- mentierte hingegen, dass die Richtlinie kein absolutes Verbot eines partiellen Zugangs beinhalte. Dieser Linie schloss sich im Oktober 2020 der EuGH- Generalanwalt Gerard Hogan an. Der EuGH sieht in Artikel 4 f Absatz 6 kein allgemeines europarechtliches Verbot eines partiellen Zugangs für die Berufe, die der automatischen An- erkennung unterliegen, unterstreicht die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) in ihrer Urteilsbewertung. Allerdings überlassen es die Richter den Mit- gliedstaaten, ob sie den Teilzugang für diese Berufe erlauben oder aus übergeordneten Gründen verweigern. Dass hier die Gesundheitsberufe aus- drücklich hervorgehoben werden sei positiv. Nachteilig sei, dass den Berufs- verbänden auf nationaler Ebene jetzt das Argument genommen wird, die Richtlinie untersage den Teilzugang für diejenigen Berufe, die der auto- matischen Anerkennung unterliegen. Das Vorgehen der französischen Zahn- ärzte ist aus Sicht der BZÄK für die Zahnärzte in anderen EU-Ländern kontraproduktiv. Für die BZÄK stellt sich die Frage: Welche Berufe aus dem zahnärztlichen Umfeld könnten für den Teilzugang infrage kommen? Und welche Relevanz hat die Ent- scheidung für Deutschland? DIE BZÄK HÄLT DIE KLAGE FÜR KONTRAPRODUKTIV Denkbar wäre, dass ausländische Bachelor-DH oder Dentaltherapeuten einen Teilzugang beantragen. Die BZÄK weist allerdings darauf hin, dass es sich bei der DH in Deutsch- land nicht um einen regulierten Beruf, sondern lediglich um eine berufliche Qualifikation handelt. Ein partieller und vollständiger Zugang von ausländischen DH zum deut- schen Arbeitsmarkt bestehe schon heute über das Berufsqualifikations- feststellungsgesetz sowie über die Einzelfallprüfung. pr Europäischer Gerichtshof (EuGH) Az: C-940/19 Urteil vom 25. Februar 2021 Foto: AdobeStock_harbucks POLITIK | 41

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