Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 6

zm 111, Nr. 6, 16.3.2021, (494) P arodontitis als komplexe Erkran- kung wird von vielen Faktoren in ihrem Entstehen und Verlauf beeinflusst. Einige dieser Faktoren sind therapeutisch modifizierbar, andere nicht. Ziel der Therapie ist es daher, die Risikolast zu reduzieren, auf diesem Weg das Entzündungs- geschehen zu kontrollieren und die Destruktion des Zahnhalteapparats zu stoppen oder zumindest entschei- dend zu verlangsamen. Wie bei vielen chronischen Entzündungserkrankun- gen werden daher die verschiedenen gesicherten Risikofaktoren in der The- rapie adressiert. Einige davon können durch zahnärztliche Intervention be- seitigt werden, die Mehrzahl erfordert jedoch eine aktive Beteiligung der be- troffenen Patienten. Der Erfolg einer Parodontaltherapie hängt somit entscheidend von der erfolgreichen Motivierung und einer kontinuierlichen Mitarbeit des Pa- tienten ab. Ziel der ersten Therapie- stufe ist es folgerichtig, den Parodon- titispatienten mit adäquaten Maß- nahmen der Prävention und Gesund- heitsförderung vertraut zu machen und seine Adhärenz* bezüglich der Therapie zu steigern (Tabelle 1). Des- halb stellt die Leitlinie [Sanz et al., 2020] im Rahmen der ersten Thera- piestufe drei Interventionen in den Vordergrund, deren Umsetzung zum Erreichen der Ziele als notwendige Voraussetzung angesehen wird (Ab- bildung 1). Es handelt sich um die Motivation und Instruktion zum häus- lichen Biofilmmanagement (Mund- hygieneinstruktion, MHI), um die professionelle supragingivale Plaque- entfernung (professionelle mecha- nische Plaquereduktion – Professional Mechanical Plaque Removal, PMPR) in Verbindung mit der Beseitigung plaqueretentiver Faktoren / lokaler Reizfaktoren sowie um die Kontrolle von systemischen Risikofaktoren, in- klusive Interventionen zur Änderung des Gesundheitsverhaltens, um be- kannte Risikofaktoren für die Ent- stehung und Progression von Paro- dontitis zu eliminieren beziehungs- weise abzumildern. Diese erste Therapiestufe sollte unab- hängig vom Stadium der Erkrankung bei allen Parodontitispatienten erfol- gen. Zudem sollte das Behandlungs- ergebnis regelmäßig reevaluiert wer- den. Obwohl diese erste Stufe in der Behandlung eines Parodontitispatien- ten nicht hinreichend im Sinne eines Therapieerfolgs ist, stellt sie die not- wendige Basis für ein optimiertes An- sprechen auf die Behandlung und für die Langzeitstabilität des Therapie- ergebnisses dar. 1. INTERVENTION: HÄUSLICHES SUPRAGINGIVALES BIOFILMMANAGEMENT Welche Mundhygienemaßnahmen sind bei Parodontitispatienten in den verschiedenen Therapiestufen angemessen? Die Aufnahmefähigkeit von Informa- tionen ist in der Regel begrenzt, wobei große interindividuelle Unterschiede bestehen. Daher gilt es, die manuel- len und kognitiven Fähigkeiten des individuellen Patienten zu berück- sichtigen und den Patienten nicht mit einer Vielzahl an Vorschlägen zu Verhaltensänderungen zu überfordern. Stattdessen sollten Informationen priorisiert und in aufeinander auf- bauenden Handlungsempfehlungen auf die individuelle Situation abge- stimmt vermittelt werden. Evidenz zu Mundhygieneinstruktio- nen, die sich explizit auf die einzelnen DR. MED. DENT. SONJA SÄLZER, PHD Zahnarztpraxis Poststraße Poststr. 17, 20354 Hamburg saelzer@zahn-post.de und Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Arnold-Heller-Str. 3 (Haus 26), 24105 Kiel Foto: Sebastian Engels Fotografie ZIELE DER ERSTEN THERAPIESTUFE ▪ Aufbauen einer kontinuierlichen Adhärenz und Motivation ▪ Möglichkeiten sondieren, mit denen Barrieren zur Verhaltensänderung überwunden werden können ▪ Verbesserung der Kompetenz zur Entfernung des dentalen Biofilms und, ▪ falls erforderlich, Modifikation der lokalen Situation z. B. durch die Entfernung von Störfaktoren, ▪ Schaffung einer Basis für den Erfolg der nachfolgenden Therapiestufen Tab. 1, Quelle: Leitlinie, [DG PARO/DGZMK, 2021] S3-LEITLINIE „DIE BEHANDLUNG VON PARODONTITIS STADIUM I-III“ – TEIL 1 Klinische Empfehlungen zur ersten Therapiestufe Sonja Sälzer, Nicole B. Arweiler, Christof E. Dörfer Der Erfolg einer Parodontaltherapie hängt über die gesamte Therapiestrecke hinweg entscheidend von der Mitarbeit des Patienten ab. Das betrifft die Qualität der häuslichen Mundhygiene, die konsequente Wahrnehmung von Behandlungs- und Kontrollterminen und die Reduktion von Risikofaktoren aus der Lebensführung des Patienten. In der neuen Leitlinie werden Motivation und Training des Patienten gemeinsam mit der professionellen mechanischen Plaquereduktion in der ersten Therapiestufe zusammengefasst. *Der Begriff „Adhärenz“ hat den früheren Begriff der „Compliance“ im wissenschaftlichen Sprachgebrauch ersetzt. 48 | ZAHNMEDIZIN

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