Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 6

zm 111, Nr. 6, 16.3.2021, (510) A nna-Luise (Annelise) Gentz wurde am 25. September 1920 in Bad Kreuznach geboren. 1 Sie war die Tochter des Zahnarztes Helmut Hassenstein (1891–1962) und dessen Frau Luise, geb. Rodenbach (1897–1936). Mitte der 1920er-Jahre zog die Familie nach Königsberg (Ost- preußen), wo der Vater eine eigene Praxis eröffnete. Hier besuchte Anna- Luise die Volksschule und nachfol- gend das Realgymnasium der Königin- Luise-Schule. Da die Mutter im April 1936 verstarb, verließ sie die Schule vorzeitig (mit der Primarreife) und führte den väterlichen Haushalt. Spä- ter erhielt sie im Lette-Haus in Berlin eine Ausbildung in Fotografie und Krankenpflege. 2 Am 11. September 1939 heiratete sie, noch nicht 19 Jahre alt, in Berlin den Juristen und Regierungsrat Eberhard Gentz, der schon zum Kriegsdienst einberufen war (Kriegstrauung). Im Februar 1941 wurde in Berlin der erste Sohn Eberhard geboren, der spä- ter den Beruf des Bauingenieurs er- greifen sollte und für diesen Beitrag zentrale Informationen lieferte. Da der Ehemann seit August 1941 zum „Reichskommissar für das Ostland“ in Riga abkommandiert war, zog die Familie dorthin nach. Hier kamen im Januar 1942 der zweite Sohn Manfred und im November 1943 der dritte Sohn Dieter zur Welt. Letzterer hat Medizin studiert und später in Berlin in eigener Praxis als Internist und Gastroenterologe gearbeitet. Manfred Gentz wurde Jurist und war viele Jahre in leitender Position in der Wirtschaft tätig. Nur 19 Wochen nach der Geburt, im Mai 1945, stirbt Gentz‘ Tochter Erika. Im September 1945 fand dann auch ihr Ehemann Eberhard Gentz den Tod – er fiel in russischer Kriegsgefangenschaft in Kovel (Ukraine) der Ruhr zum Opfer. 3 MIT NACHGEHOLTEM ABITUR BIS ZUR DISSERTATION Gentz kehrte Anfang 1946 mit gerade 24 Jahren als Kriegswitwe und drei kleinen Kindern in die Berliner Woh- nung zurück. Im November 1946 holte sie an der Vorstudienanstalt der Universität Berlin das Abitur nach und schrieb sich ebenda für das Studium der Zahnheilkunde ein. Dies war ihr möglich, weil sich die Schwiegermutter in Berlin der jungen Familie angeschlossen hatte und in der gemeinsamen Wohnung die Kin- der betreute. 4 Im Juni 1950 bestand Gentz an der Charité das Staatsexamen mit „sehr gut“. Sie dürfte noch von Georg Axhausen (1877–1960) 5 unterrichtet worden sein, der die Berliner Uni- versitätszahnklinik bis 1949 leitete; ihm folgte 1950 Wolfgang Rosenthal (1882–1971). 6 Noch im selben Monat konnte Gentz eine Assistentenstelle in der chirurgisch-prothetischen Ab- teilung der Berliner Zahnklinik an- treten. Hier war sie bis Ende Novem- ber 1950 beschäftigt. Anschließend wirkte sie bis Dezember 1951 als As- sistentin in der Praxis des Zahnarztes Otto Roth in Berlin. Im Januar 1951 promovierte sie zur Dr. med. dent. Ihre Dissertation hatte „Untersuchungen über die Bedeutung von Federträgern und intermaxillären Spiralfedern für den Sitz von Oberkieferresektions- prothesen“ zum Gegenstand. 7 Die untersuchten Personen waren Kriegs- versehrte und Krebspatienten. Im Mai 1952 ließ sich Gentz in eige- ner Praxis im Stendelweg in Berlin- Ruhleben nieder. 8 Dort übernahm sie frühzeitig die zahnmedizinische Betreuung des Hauptkinderheims Ruhleben 9 – ein Engagement, das sie zunehmend ausbaute. So besuchte sie „in den frühen 60er Jahren in Berlin Kinderheime mit Problemkindern und führte gleichzeitig eine Kassen- praxis mit hohem Kinderanteil“. 10 Im Juni 1965 gab sie ihre Praxis auf und zog nach Bonn-Bad Godesberg. Hier heiratete sie wenig später ihren verwitweten Schwager Erwin Gentz. Dieser brachte vier, zum Teil erwach- sene Kinder mit in die Ehe. Erwin Gentz war Stellvertreter des General- sekretärs und Referent des Hauptaus- schusses der Deutschen Forschungs- gemeinschaft in Bonn. Anna-Luise Gentz war zuerst in diver- sen Zahnarztpraxen als Mitarbeiterin oder Vertreterin tätig. 11 Im Oktober ZM-REIHE: PIONIERINNEN DER ZAHNMEDIZIN – TEIL 4 Anna-Luise Gentz – Pionierin der Kinderzahnheilkunde Dominik Groß Anna-Luise Gentz (1920–2008) gilt in der Bundesrepublik Deutschland als Vorkämpferin der Kinder- und Behindertenzahnmedizin. Wofür trat sie ein, was konnte sie erreichen und welchen Verlauf nahm ihre Karriere? Diesen Fragen geht der vorliegende Beitrag nach. 1 Gentz (2020); Dtsch. Zahnärztl. Z. 50 (1995), 620; Dtsch. Zahnärztl. Z. 55 (2000), 589; Gentz (1980), 65; Haun (2016a); Haun (2016b); Mitteilungsbl. Berliner Zahnärzte H. 5 (2008), 7; Römer (2004), 27f., 33–45; Haun (2000); Haun (2008a); Haun (2008b); Schiffner (2008); Schiffner (2009); Landesamt Berlin (2020); 2 Gentz (2020); 3 Gentz (2020); 4 Gentz (2020); 5 Groß (2018b); 6 Groß (2018e); 7 Gentz (1951); 8 DZA (1953), 164; (1957), 251; (1959), 251; DZA (1962), 271; 9 Schiffer (2009); Gentz (2020); 10 Haun (2016a); 11 Gentz (2020); Anna-Luise Gentz Foto: Dt. Zahnärzte-Kalender 39 (1980), 65 64 | GESELLSCHAFT

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