Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 8

zm 111, Nr. 8, 16.4.2021, (674) Bei der Mehrzahl unserer Patienten mit Schmerzen im Kieferbereich liegt die Ursache in zahnbezogenen Patho- logien. Weitere häufige Differenzial- diagnosen in solchen Fällen können muskuläre Beschwerden (Arthromyo- pathie, Cranio-Mandibuläre Dysfunk- tion), eine Trigeminusneuralgie, das Eagle-Syndrom oder auch ein Tumor- geschehen darstellen. Bei weiterbestehenden unklaren Ur- sachen und therapieresistenten Be- schwerden sollten auch Kausalitäten außerhalb des zahnmedizinischen Fachbereichs in Betracht gezogen werden. Der vorliegende Fall unter- streicht dabei die Bedeutung der Befundung der vorliegenden Rönt- gendiagnostik in der zahnärztlichen Praxis. Bei der Identifikation von fraglichen Fremdkörpern auf zwei- dimensionalen Röntgenbildern ist die Anfertigung einer dreidimensionalen Bildgebung hilfreich und obligat. Bei der Wahl der weiterführenden Diagnostik ist zu beachten, dass Fremdkörper sich je nach Material sehr unterschiedlich darstellen lassen: Zunächst ist die Lage des Fremdkör- pers von Bedeutung. Oberflächliche, imWeichgewebe gelegene Objekte las- sen sich unabhängig vom Material gut im Ultraschall darstellen. In tieferen Schichten oder innerhalb des Kno- chens sind die Computertomografie (CT) und die digitale Volumen- tomografie (DVT) die bevorzugten Verfahren [Valizadeh et al., 2016]. Neben der Lage ist bei der Darstell- barkeit eines Fremdkörpers auch das Material entscheidend (Tabelle 1). In den konventionellen zahnärztlichen Röntgenaufnahmen (Zahnfilm und Panoramaschichtaufnahme) lassen sich beispielsweise Metall und Gra- phit verlässlich abbilden; Fragmente sind erst ab einer Größe von über 2 mm gut erkennbar. In der drei- dimensionalen Bildgebung erreicht man sowohl mit dem CT als auch mit dem DVT die bestmögliche Dar- stellung fast aller Materialien. Eine Ausnahme stellt die Darstellung von Holzpartikeln dar. Hierbei kann eine Ultraschalluntersuchung hilfreich sein [Kaviani et al., 2014; Javadrashid et al., 2015]. Zuletzt bleibt die Frage, wann Fremd- körper zu entfernen sind. Hierbei wird in der Literatur sowohl die Mei- nung vertreten, dass symptomlose Fremdkörper belassen werden kön- nen, als auch die Auffassung, dass identifizierte Fremdkörper frühzeitig entfernt werden sollten, um späteren Beschwerden, der Migration in kri- tische Bereiche oder toxischen Effekten vorzubeugen [Kühnel et al., 2009; Stockmann et al., 2007]. Der vorliegende Fall kann sicherlich zu dieser Diskussion beitragen. Wäre die Griffelspitze frühzeitig erkannt und entfernt worden, hätte die Patientin sehr wahrscheinlich ein angenehme- res Leben geführt. Durch die moder- nen bildgebenden Verfahren und die Möglichkeit mikrochirurgischer Eingriffe wird die Indikation zur Fremdkörperentfernung heutzutage zunehmend früher gestellt. \ FAZIT FÜR DIE PRAXIS \ Alle im zahnärztlichen Fachgebiet angefertigten Röntgenbilder müssen gewissenhaft und umfassend beurteilt werden, um relevante Pathologien in Nachbarstrukturen nicht zu übersehen. \ Bei therapieresistenten Beschwerden im Mund-, Kiefer- und Gesichts- bereich sollte differenzialdiagnostisch auch nach Ursachen außerhalb des zahn- tragenden Kiefers und der Zähne gesucht werden. \ Bei Fremdkörperverdacht hilft häufig eine spezielle Traumaanamnese. \ Symptomatische Fremdkörper sollten – wenn möglich – entfernt werden. Im Vorfeld der Entfernung ist eine dreidimensionale Darstellung der Lage eines Fremdkörpers obligat. Materialabhängig kommen dabei die Computertomografie, die digitale Volumentomografie, die Magnetreso- nanztomografie und die Ultraschalldi- agnostik (insbesondere bei pflanzli- chem Fremdmaterial wie Holz) zur Anwendung. PD DR. DR. PHILIPP STOCKMANN Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie Weißenburg, Donauwörth und Eichstätt Bismarckanlage 3, 91781 Weißenburg und Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie am Universitätsklinikum Erlangen Glückstr. 11, 91054 Erlangen Foto: privat Abb. 4 und 5: Intraoperativer Situs mit Entfernung der Griffelspitze über einen enoralen Zugang Fotos: MKG Universität Erlangen ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion ange- fordert werden. 16 | ZAHNMEDIZIN

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