Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 9

zm 111, Nr. 9, 1.5.2021, (847) [Oh et al., 2020; Yabut et al., 1988]. Aus zahnärztlicher Sicht kann die fibröse Dysplasie im Ober- und im Unterkiefer zur Verdrängung von Zähnen, zu einem verzögerten oder behinderten Zahndurchbruch und zu Malokklusionen führen [Alves et al., 2016]. Aus kieferorthopädischer Sicht muss mit einer verlängerten Be- handlungszeit und mit einer höheren Rezidivrate gerechnet werden [Lee et al., 2012]. Zahnbewegungen inner- halb der fibrösen Dysplasie scheinen schneller möglich zu sein [Burke et al., 2017]. In vielen Fällen kann eine Verdachts- diagnose initial durch auffällige Gesichtsasymmetrien und Deforma- tionen bereits klinisch gestellt wer- den [Menon et al., 2013]. Bildmor- phologisch typisch ist projektions- radiografisch sowie in der CT – wie im vorliegenden Fall – eine homo- gene, milchglasartige Verschattung des betroffenen Knochens mit ausge- dünnter, aber intakter Kortikalis so- wie scharfer Begrenzung [Fitzpatrick et al., 2004]. Im Schädelskelett findet sich außerdem häufig eine kontinu- ierliche Ausbreitung über verschiedene Schädelknochen hinweg, die es in dieser Form eigentlich nur bei der fibrösen Dysplasie gibt (= kranio- faziale fibröse Dysplasie). Lytische oder sklerotische Veränderungen der Spongiosa können jedoch ebenfalls regelmäßig beobachtet werden. Eine Magnetresonanztomografie (MRT) liefert meist keine zusätzlichen Infor- mationen, kann jedoch bei differen- zialdiagnostischen Problemen helfen. Differenzialdiagnostisch ist je nach bildmorphologischem Befund insbe- sondere an einen Morbus Paget, an aneurysmatische oder juvenile Knochenzysten oder an Osteome zu denken [Lisle et al., 2008; Neville et al., 2009]; üblicherweise bereitet die Differenzialdiagnostik unter Berück- sichtigung von Anamnese und Klinik jedoch keine Schwierigkeiten. Histologisch findet sich ein charakte- ristisches, reifes Spindelzellstroma, das unreife Geflechtknochenforma- tionen einschließt. Die neu gebildete Matrix kann an chinesische Schrift- zeichen erinnern und bildet häufig unvollständige Spangen aus. In der Bindegewebsfärbung (zum Beispiel van Gieson) lassen sich radiär aus den Bälkchen ins Stroma ausstrahlende Sharpey’sche Fasern nachvollziehen, typischerweise fehlen auf der Bälk- chenoberfläche kubische Osteoblas- tensäume. Über die Zeit kommt es aber zu regressiven Veränderungen des Befunds und Remodellierungs- prozesse setzen ein, bei denen die lä- sionalen Bälkchen lamellär umgebaut werden und auf ihrer Oberfläche Osteoblasten erkennen lassen. Gene- tisch liegt der fibrösen Dysplasie eine postzygotische Mutation im GNAS- Gen zugrunde, deren Nachweis in diagnostisch schwierigen Fällen hilf- reich sein kann. Die Therapie ist abhängig von Aus- maß und Lokalisation der Erkran- kung. Abhängig vom Leidensdruck ist sowohl eine abwartende Haltung als auch eine operative Versorgung möglich. Ziele der operativen Ver- sorgung sind die Verminderung von Schmerzen, die ästhetische Rehabi- litation sowie das Vermeiden von Nervenkompressionen und entspre- chenden Funktionsausfällen [Menon et al., 2013]. Der Einsatz von Anti- resorptiva zur Behandlung der fibrö- sen Dysplasie wird derzeit kontrovers diskutiert. Insbesondere bei ausge- prägten, polyostotischen Verläufen und bei Schmerzpersistenz werden Antiresorptiva eingesetzt, um eine Progression zu verhindern [Anitha et al., 2015]. \ PROF. DR. MED. DR. MED. DENT. HARALD EUFINGER Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichts- chirurgie – Plastische Operationen, Klinikum Vest, Knappschaftskrankenhaus Recklinghausen Dorstener Str. 151, 45657 Recklinghausen Foto: privat FAZIT FÜR DIE PRAXIS \ Erste Symptome einer fibrösen Dysplasie können schmerzlose Auftreibungen des Alveolarfortsatzes sein. \ Aufgrund des selbstlimitierenden Wachstums wird die Indikation zur chirurgischen Therapie zurück- haltend und nur bei Beschwerde- symptomatik gestellt. \ Sollten Antiresorptiva zur Therapie der fibrösen Dysplasie der Kiefer- knochen oder anderer Lokalisationen eingesetzt werden, müssen für die zahnärztliche Wertung vor Therapie- beginn und für zahnärztlich-chirur- gische Maßnahmen nach erfolgter Applikation die gleichen Kriterien wie bei allen Patienten mit anti- resorptiver Therapie angewandt werden. \ Bei einer KFO-Behandlung muss mit einer verlängerten Behandlungsdauer und mit einer höheren Rezidivrate gerechnet werden. Abb. 5: Histologisch zeigt sich ein reifes Spindelzellstroma mit einer trabekulären Geflechtknochenneubildung Quelle: Daniel Baumhoer ZAHNMEDIZIN | 81

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=