Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10

zm 111, Nr. 10, 16.5.2021, (948) EINSATZ IN MORIA 2 Wenn Geflüchtete selbst Helfer werden Gretel Evers-Lang Januar 2021, Corona-Zeit, business as usual in der Praxis. Dann eine E-Mail von einem Kollegen, mit dem ich zusammen auf einem Hilfseinsatz für „Zahnärzte ohne Grenzen“ war. Er fragt, ob ich mit ihm ins neue Geflüchteten- Lager auf Lesbos gehe, das Team der „Crisis Management Association“ bräuchte dringend Unterstützung. Natürlich sage ich sofort zu. E ine kleine NGO aus einer Truppe engagierter Briten, die bereits seit mehreren Jahren auf der Insel sind, hat auch im neuen Ge- flüchteten-Lager bei Kara Tepe eine Dentalstation errichtet und sucht nach zahnärztlichen Volontären. Hier leben 6.500 umgesiedelte Ge- flüchtete in Zelten. Ich bin sofort dabei, als mich Anfang des Jahres die Anfrage erreicht. Die Akkreditierung ist schnell erledigt, ebenso fix sind Flug und Unterkunft gebucht. An einem Sonntag im frü- hen März lande ich auf Lesbos: Die Sonne scheint und in dem Licht leuchtet auf den ersten Blick alles weiß und bunt. In diesem Moment sehe ich noch nichts von dem Leid und den schlimmen Zuständen in den Lagern. Während der einwöchigen Quarantäne frage ich mich aber: Warum eigentlich bin ich hier? Dann erinnere ich mich an den letzten Hilfseinsatz als Freiwillige. Es hat tat- sächlich unheimlich viel Spaß macht. Es gibt so viele Menschen auf der Welt, die einen unzureichenden Zu- gang zu medizinischer Versorgung haben, und ich kann relativ einfach einen Teil meiner Zuwendung an die Hilfsbedürftigen geben. Nach der Quarantäne lerne ich das Team der Crisis Management Associa- tion kennen. Die Organisation unter- stützt die medizinische Versorgung durch Projekte in Krisengebieten, so auch hier auf Lesbos. Unter den Helfern und Helferinnen ist auch Yasmin, 21 Jahre jung und selbst vor fünf Monaten aus dem Nordiran ge- flüchtet. Jetzt ist sie meine Assistenz. In ihrer Heimat konnte sie zwar Abi- tur machen, aber nicht studieren, weil sie eine Frau ist. Ihre Eltern hatten ihr Geld gegeben, um den Schlepper zu bezahlen und dann mit ihrem jüngeren Bruder die gefährliche und mühsame Flucht nach Lesbos anzu- treten. Was für eine Vorstellung, beide Kinder auf einen solchen Weg ziehen zu lassen! NUR EIN ZAHN PRO PATIENT DARF BEHANDELT WERDEN! Elyas, auch aus dem Iran, hat Zahn- medizin studiert und unterstützt meine Arbeit vor allem als Übersetzer. Mei- nen Kollegen, Dr. Dr. Jens Joachim Paarsch, kenne ich von unserem ge- meinsamen Einsatz für „Zahnärzte ohne Grenzen“ auf den Kapverden. Er ist der unerschrockene Chirurg von uns beiden, der souverän auch Das Camp Moria 2 / Kara Tepe Dr. Gretel Evers-Lang 78 | GESELLSCHAFT

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