Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 17

zm 111, Nr. 17, 1.9.2021, (1552) STUDIE DER IKK CLASSIC Diskriminierung macht krank Wir brauchen Schubladen, um im Alltag zurechtzukommen. Vorurteile sind also erstmal „normal“, Sortierung tut gut. Ungesund wird es aber, wenn diese Vorurteile – bewusst oder unbewusst – sich verfestigen und zu diskriminierendem Verhalten führen. Davon ist mehr als jeder Zweite in Deutschland betroffen – mit gesund- heitlichen Folgen wie Essstörungen, Migräne oder Depressionen. Eine Studie der IKK classic zeigt erstmals die Zusammenhänge zwischen Diskriminierungserfahrungen und den Auswirkungen auf die Gesundheit. A lle Menschen haben Vorurteile, doch nicht einmal vier von zehn (38 Prozent) sind sich dessen be- wusst. Knapp 60 Prozent wiederum waren selbst schon einmal Vorurteilen ausgesetzt oder haben Diskri- minierung erlebt – im Internet, im direkten Umgang, auf der Arbeit, in der Schule oder in der Öffentlichkeit. Vor- wiegend handelt es sich dabei um sogenannte Mikro- aggressionen wie Tuscheln oder eine unhöfliche Behand- lung. Schlimmstenfalls reichen sie bis zu Körperverletzung. DISKRIMINIERUNG IST EIN BEHANDLUNGSBEDÜRFTIGES PROBLEM Drei Viertel der Befragten sind der Meinung, dass jeder be- reit sein sollte, über die eigenen Vorurteile nachzudenken und diese zu überwinden. Vorurteile und die daraus fol- gende Diskriminierung sind dabei nicht nur ein soziales, sondern für den Empfänger oft auch ein – behandlungs- bedürftiges – gesundheitliches Problem. Die Folgen dieser Erfahrungen führen zu körperlichen und seelischen Symptomen: Diskriminierte erleben Gefühle der Un- sicherheit, Irritation, Hilflosigkeit und sogar Scham und Schuld. Zu den Krankheitsbildern gehören Schlaf- störungen, Burn-out, Depressionen, Angststörungen, aber auch Magen-Darm-Erkrankungen oder chronische Kopf- schmerzen als Folgen von Stress. Clustern lassen sich die am meisten betroffenen Gruppen laut Studie anhand von fünf Schlagworten: Behinderung : 47 Prozent geben an, von Vorurteilen oder Diskriminierung betroffen zu sein. Die Betroffenen ver- letzt es am meisten, für schwächer und eingeschränkter gehalten zu werden, als sie es tatsächlich sind. Besser wäre, Menschen mit Behinderungen als Interessengemeinschaft zu sehen: Oft sind es weniger ihre körperlichen Ein- schränkungen, die sie daran hindern, etwas zu tun, sondern die menschengemachte Umgebung, die ihnen Barrieren in den Weg stellt. Ethnische Herkunft : 32 Prozent halten Menschen mit Migrationshintergrund in ihrem Bestreben nach gleichen Rechten für zu fordernd. Menschen mit türkischen Wur- zeln reagieren eher passiv und fühlen sich häufiger ausge- schlossen und nicht zugehörig (53 Prozent). Personen aus AUSSAGEN VON STUDIENTEILNEHMERN Behinderung: „Man hat mir am Anfang auf der Arbeit gar nichts zugetraut, nur leichte Aufgaben zugewiesen. Ohne mich zu fragen, was ich mir selber zutrauen würde.“ Ethnische Herkunft: „Ich wurde in der S-Bahn von einer Gruppe betrunkener Frauen angegriffen, angespuckt und zu Boden gestoßen. Ich wurde beschimpft, was ich als ‚Ausländer‘ hier überhaupt mache [...] Niemand hat mir geholfen.“ Geschlechterrollen: „Als die angefangen haben, mich als Frau im Job zu mobben, da wurde ich wieder so unsicher wie damals in der Schule, als ich verspottet wurde.“ Körperbild: „Jedes Rausgehen ist ein Spießrutenlauf, weil die Leute mich anstarren und zum Teil auch lachen. Manchmal fange ich an, im Lidl laut zu schreien.“ Sexuelle Orientierung: „ Ich wollte einem alten Nachbarn wegen Corona mit den Einkäufen helfen. Einem anderen Nachbarn sagte er, dass er nicht will, dass ein Schwuler ihm die Tüten trägt. Das hat mich schon getroffen.“ Foto: AdobeStock_Maik Dörfert

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