Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 22

zm 111, Nr. 22, 16.11.2021, (2182) ZM-REIHE: KARRIEREN IM AUSLAND Kurt Odenheimer – US-Zahnarzt und Tumorforscher aus Bayern Dominik Groß Der Regensburger Zahnarzt Kurt Odenheimer wanderte 1937 in die USA aus. Dort spezialisierte er sich als Hochschullehrer auf die Tumoren der Mundhöhle und trat für eine verbesserte Schulung von Zahnärzten in der Frühdiagnostik oraler Karzinome ein – mit beachtlicher Resonanz. K urt Johann Sigmund Odenhei- mer kam am 9. Mai 1911 in Re- gensburg zur Welt [Einwohner- buch, 1919; NARA, o. J.; IBDCEE 1983; Depmer, 1993; Schröck-Schmidt, 1996; Biermanns/Groß, 2021; Norrman/ Gross, 2021; Groß, 2022]. Er war der Sohn des Regensburger Dentisten Berthold Odenheimer (circa 1882– 1928) [ADDD, 1929] und der Musik- erzieherin Charlotte Odenheimer, ge- borene Hahn (1893–1977). Offenbar fand er Gefallen an der Tätigkeit seines Vaters. Jedenfalls schrieb er sich nach dem Abitur 1932 an der Universität München für das Studium der Zahnheilkunde ein und schloss es 1935 erfolgreich ab [IBDCEE, 1983]. Zu seinen akademischen Lehrern ge- hörten Peter-Paul Kranz (1884–1957), Karl Falck (1884–1955) und Karl Pieper (1886–1951) [Hundsdorfer, 1996; Groß, 2020a; Groß, 2021c]. Anschließend war er kurze Zeit als Assistent am Zahnärztlichen Institut der Münchner Universität tätig. Odenheimer war Protestant. Da sein Vater jedoch jüdischer Abstammung war, galt Kurt gemäß der Rassen- ideologie der Nationalsozialisten als „Halbjude“. Zwar konnte er das Stu- dium noch beenden, doch zu einer Promotion kam es nicht mehr. Oden- heimer erkannte wohl, dass er im Dritten Reich angesichts des zu- nehmenden Antisemitismus und der restriktiven Politik gegenüber Juden keine Zukunft haben würde [Groß et al., 2018; Groß, 2019; Groß/Krischel, 2020]. Selbst „arische“ Kollegen, die mit jüdischen Partnern verheiratet waren, entschlossen sich nach repres- siven Erfahrungen in den Folgejahren zur Emigration – so etwa Reinhard Waldsachs (1907–1995) [Wilms/Groß, 2020b] oder Walther E. Berblinger (1882–1966) [Sziranyi et al., 2019]. Odenheimer selbst wanderte im März 1937 über Belgien in die USA aus [Displaced German scholars, 1993; IBDCEE, 1983; Schröck-Schmidt, 1996]. Er wurde begleitet von seiner Schwester Isolde (später Lovegrove) (1914–2000), die in Deutschland eine Ausbildung zur Zahntechnikerin ab- solviert hatte. Eine weitere Schwester – Edith Odenheimer (*1920) – ver- blieb dagegen in Deutschland, wo sie die NS-Zeit überstand und später den Arztberuf ergriff. IN PITTSBURGH ARBEITETE ER ZUERST ALS PAKETBOTE Odenheimer fand 1937 in Pittsburgh im US-Bundesstaat Pennsylvania eine neue Heimat. Sein Onkel, der Kauf- mann Max Odenheimer (1881–1944), war bereits 1901 in die USA emigriert und lebte seitdem ebenfalls in Pitts- burgh, so dass Odenheimer hier familiären Anschluss fand. Er wohnte jedoch nicht bei seinem Onkel, son- dern bezog eine vom YMCA (Young Men’s Christian Association, deutsch: Christlicher Verein Junger Menschen) vermittelte Wohnung. In dieser Phase verdingte er sich als Paketbote. Dies ermöglichte es ihm, sich 1937 an der School of Medicine der University of Pittsburgh für das Fach Zahnheil- kunde einzuschreiben. Das Nach- studium war notwendig, um den US-amerikanischen Abschluss und die Zulassung als „American dentist“ zu erhalten. Odenheimer beendete seine Studien 1940 mit dem D.D.S. (Doctor of Dental Surgery) und er- öffnete eine Zahnarztpraxis in Pitts- burgh, die er mindestens bis 1944 führte [Pittsburgh Presseberichte, 1941–1961]. Mitte der 1940er-Jahre wurde er dann Assistant Chief an der Pittsburgh Skin and Cancer Clinic, wo er einen oralpathologischen Schwerpunkt ausbildete. Kurt Odenheimer Foto: [Wolf, 1968] 56 | GESELLSCHAFT

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