Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 22

zm 111, Nr. 22, 16.11.2021, (2183) 1947 – gut zehn Jahre nach der Im- migration – erlangte er die US-ameri- kanische Staatsbürgerschaft. Auch mit der beruflichen Karriere ging es weiter aufwärts: 1949 wurde er an der School of Medicine in Pittsburgh zum Assistant Professor of General Pathology berufen. Um 1950 nahm er an der University of Pittsburgh ein weiteres Studium auf, das er 1953 mit dem M. Ed. (Master of Education) ab- schloss. Seit 1951 war Odenheimer zudem Konsiliararzt („Consultant“) am Pittsburgh Presbyterian Hospital und 1954 avancierte er dort zum Leiter des Department of Oncology and General Pathology (bis 1955). IN DER U.S. ARMY MACHTE ER SEINEN DOKTOR Dann folgte eine zweite Zäsur: Ab Juni 1955 leistete Odenheimer Militär- dienst in der US-Armee. Er fungierte hierbei als Lieutenant Colonel im US Army Dental Corps und war in seiner früheren deutschen Heimat – in Hei- delberg – stationiert. Hier verblieb er bis November 1958. Neben seinem Militärdienst fand er Gelegenheit, an der Universität Heidelberg eine Dissertation in der Zahnheilkunde zu verfassen. Dort dürfte er unter ande- rem mit Reinhold Ritter (1903–1987) zusammengearbeitet haben, der zu jener Zeit die Zahnklinik in Heidel- berg leitete [Groß et al., 2018; Groß, 2020b]. Ende September 1958 wurde er dort zum Dr. med. dent. pro- moviert; seine Doktorarbeit befasste sich mit dem Thema „Außergewöhn- liche Fälle von Zahnretention unter Berücksichtigung der vorhandenen Theorien“ [Odenheimer, 1958]. Noch 1958 kehrte Odenheimer in die USA zurück, wurde nunmehr in Cleveland/Ohio ansässig und schrieb sich dort 1959 für ein weiteres Stu- dium ein – diesmal an der Western Reserve University. Letzteres konnte er 1964 mit dem PhD abschließen. Grundlage hierfür war die Arbeit „The idiopathic open bite: a search for its etiology“ [Odenheimer, 1964]. Parallel entwickelte Odenheimer seine wissenschaftliche Karriere weiter: Bis 1961 fungierte er als Research Fellow am Institute of Pathology der Western Reserve University. Dann arrivierte er zum Associate Professor of Oral Diagnosis and Clinical Pathology an der School of Dentistry der State Uni- versity of New York in Buffalo (1961 bis 1966) [Medentian, 1962 und 1965; IBDCEE, 1983]. Seit 1963 wirkte er zusätzlich als Konsiliararzt am Mayer Memorial Hospital in Buffalo (bis 1966). 1966 gelang ihm dann der entschei- dende universitäre Karrieresprung: Er wurde Full Professor an der School of Medicine der Loyola University New Orleans in Louisiana – einer jesuitischen Privatuniversität. 1968 nahm er schließlich einen Ruf an die ebenfalls in New Orleans ansässige Louisiana State University (LSU) an. Hier wirkte er als „Professor of Oral Pathology“, später als „Professor of General Pathology, Otolaryngology und General Dentistry“. An der LSU blieb Odenheimer bis zu seiner Emeritierung. Er verstarb am 7. Juni 1986 – einen Monat nach seinem 75. Geburtstag – in New Orleans [US Department of Veterans Affairs, o. J.; Norrman/Gross, 2021]. Depmer zählt Odenheimer zu Recht zur „Gruppe junger Wissenschaftler, die den Zenit ihrer wissenschaftlichen Karriere erst im Ausland, oder durch ihre Tätigkeit dort, erreichten“ [Dep- mer, 1993]. Dabei wurde Odenheimer vor allem für zwei wissenschaftliche Projekte bekannt: seine wegweisen- den Studien an Rhesusaffen und seine Initiativen zur Früherkennung nikotinbedingter oraler Karzinome durch den Zahnarzt. 1967 konnte Odenheimer Forschungs- gelder für tierexperimentelle Studien an Affen einwerben. Er untersuchte in der Folgezeit die normale Bakte- rienflora und die psychosomatischen Auswirkungen von externem und intraoralem Stress bei Rhesusaffen; außerdem beschäftigte er sich mit dem Verlauf von Infektionen mit dem ECHO-Virus bei diesen Primaten – insbesondere mit dem ECHO-Virus- Typ-4 – sowie mit den Auswirkungen der Infektion auf trächtige Affen und ihre Nachkommen [Odenheimer, 1980; IBDCEE, 1983]. EIN VORREITER AUF DEM GEBIET ORALER TUMORE Zudem galt Odenheimer als inter- nationaler Vorreiter auf dem Gebiet der Erforschung und Frühdiagnostik (maligner) oraler Tumore. Er sprach sich frühzeitig und mit Nachdruck gegen das Rauchen aus und betonte die Rolle des Nikotins als Risikofaktor für die Entstehung von oralen Plat- tenepithelkarzinomen. Zudem appel- lierte er an seine zahnärztlichen Be- rufskollegen, im Rahmen der oralen Befunderhebung nach frühen, poten- ziell malignen Schleimhautverände- rungen Ausschau zu halten und die Patienten im Zweifelsfall an einen Ex- perten zu überweisen. 1974 führte er in New Orleans eine viel beachtete Studie durch, bei der 375 Personen auf orale Tumoren untersucht wur- den. 1975/76 trat er dann mit einer großen Aufklärungsinitiative an die Öffentlichkeit. Dabei arbeitete er mit der Non-Profit-Organisation „Narco- tics Education Inc.“ zusammen, die ein zweiteiliges Set mit dem Titel „If you smoke“ herausgab. Teil 1 be- schäftigte sich mit der Frühdiagnose des „Raucherkrebses“ durch den Arzt (Part I. This is what your doctor may see), Teil 2 mit der Frühdiagnose durch den Zahnarzt (Part II. This is what your dentist might see) – hier- für zeichnete Odenheimer verant- wortlich. Teil 1 umfasste 60, Teil 2 40 Farbdias sowie ingesamt zwei Audio- kassetten und ein Skript [Christen/ Odenheimer, 1975/76]. Besonders wichtig war Odenheimer die Förderung der Zusammenarbeit von Ärzten und Zahnärzten – in der Krebsfrüherkennung, aber auch PROF. DR. DR. DR. DOMINIK GROß Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der RWTH Aachen Klinisches Ethik-Komitee des Universitätsklinikums Aachen MTI 2, Wendlingweg 2, 52074 Aachen dgross@ukaachen.de Foto: privat GESELLSCHAFT | 57

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