Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 22

zm 111, Nr. 22, 16.11.2021, (2212) DISKUSSION Der vorliegende Fall demonstriert die Notwendigkeit zur regelmäßigen Überprüfung der Arbeitsdiagnose, des Therapiefortschritts und gegebenen- falls auch die erneute Durchführung einer weiterführenden Diagnostik. Insbesondere bei ausbleibendem The- rapieerfolg ist eine erneute diagnos- tische Abklärung erforderlich, um den Krankheitsverlauf zu überprüfen oder die Therapie individualisiert an- zupassen. Im vorliegenden Fall zeigte sich hierbei eine andere Erkrankung als zunächst angenommen, da die Auswirkungen der Osteomyelitis das zunächst vermutete Krankheitsbild darstellten. Wie sich jedoch heraus- stellte, bestand die Ursache der CMD- Symptomatik in der fortschreitenden (fortgeschrittenen?) Osteomyelitis. Der Begriff der Osteomyelitis wird definiert als eine progressive Entzün- dung des Knochens und Knochen- marks und betrifft im Bereich des Gesichtsschädels vorwiegend die zahntragenden Kieferanteile. Formal- terminologisch wird der Begriff der Osteomyelitis im klinischen Alltag oftmals nicht ganz korrekt verwen- det, da Knochenentzündungen zu- meist Mischformen einer Infektion der Kompakta (Ostitis) und des Knochenmarks (Osteomyelitis) be- inhalten. Da der Terminus der Osteo- myelitis jedoch im klinischen Ge- brauch ungeachtet der exakten Loka- lisation der knöchernen Entzündung in Kompakta und/oder Spongiosa Anwendung findet und sich hieraus keine Unterschiede in Bezug auf Ätiologie und Therapie ergeben, soll im Folgenden der Terminus „Osteo- myelitis“ im Sinne eines Oberbegriffs für eine Knochenentzündung ver- wendet werden. Die Pathogenese der Kieferosteo- myelitis ist multifaktoriell und kann Folge von Traumen, chirurgischen Interventionen, Parodontopathien und Infektionen des Endodonts sein. Die Behandlung gilt als anspruchsvoll und langwierig. In der Vergangenheit hat es zahlreiche Bemühungen gege- ben, eine einheitliche Klassifikation der Osteomyelitiden zu finden, so dass nicht weniger als elf verschiedene Klassisifikationssysteme beschrieben worden sind [Baltensperger et al., 2004]. Die bis heute gebräuchlichste Klassifikation geht auf Eyrich et al. [Eyrich et al., 2003] zurück, die so- wohl das klinische Erscheinungsbild wie den zeitlichen klinischen Verlauf berücksichtigt. Hierbei wird zwischen den Formen der akuten Osteomyelitis, der sekun- där chronischen Osteomyelitis (SCO) sowie der primär chronischen Osteo- myelitis unterschieden (PCO). Defini- tionsgemäß werden die akute Osteo- myelitis und die SCO durch ihren zeitlichen Verlauf differenziert. Eine symptomatische, akute Osteomyelitis geht bei Persistenz des klinischen Beschwerdebildes über einen Zeit- raum von vier Wochen in eine SCO über. Es handelt sich also um die gleiche Erkrankung in einem unter- schiedlichen zeitlichen Stadium mit der gleichen Ätiologie. Foto: Engelbach, MKG St. Josefshopital Abb. 3: Intraoperativer Situs: Zu sehen ist die rechte Kieferwinkelregion von submandibulär exponiert. Der Nervus avleolaris inferior ist zentral freigelegt. Kranial und kaudal des Nervens ist die entzündlich destruierte Kortikalis zu erkennen. Der gelbe Loop umschlingt den Ramus marginalis des Nervus facialis, dessen sichere Schonung bei einem submandibulären Zugang zu beachten ist. Foto: Engelbach, MKG St. Josefshopital Abb. 4: Zustand nach Kontinuitätsresektion des Unterkiefers: Der Nervus alveolaris inferior (gelber Loop) wird nach seiner Freilegung lateralisiert und geschont. 86 | ZAHNMEDIZIN

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