Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 3

zm112, Nr. 3, 1.2.2022, (181) verstrichenen Vestibulum im Bereich des dritten Quadranten. Eine angefertigte Panoramaschichtaufnahme zeigte ein konservierend und prothetisch unvollständig versorgtes Gebiss mit einem wurzelkanalbehandelten Zahn 36 und einer apikalen Osteolyse (Abbildung 1). Angesichts des ausgedehnten Abszessgeschehens wurde eine notfallmäßige Computertomografie zur erweiterten Diagnostik durchgeführt. Hier zeigte sich ein großflächiger Abszess des linken Unterkiefers mit einer Ausbreitung in die Tonsillenregion sowie in die Halslogen mit begleitenden einschmelzenden Prozessen (Abbildung 2). Zusätzlich zeigten sich im initial angefertigten Blutbild des Patienten ein Procalcitonin von 10 ng/ml, eine Blutglukose von 1.034 mg/dl sowie ein HBA1c-Wert von 13 Prozent. In der Zusammenschau der Befunde konnte somit von einem beginnenden septischen Krankheitsbild ausgegangen werden. Es bestand die Indikation zur notfallmäßigen chirurgischen Intervention mittels Abszessdrainage. Hierzu erfolgten zunächst die Eröffnung der submandibulären und der perimandibulären Kompartimente über eine extraorale Schnittführung sowie die Extraktion des Zahnes 36. Darüber hinaus wurden die zervikalen und die jugulären Muskelfaszien zur weiteren Entlastung des entzündlichen Geschehens eröffnet. Bei der Drainage zeigte sich neben dem erwarteten Pus- und Blutabgang auch der Abgang von nekrotisch verändertem Muskelgewebe und gebildetem Gas nahezu im gesamten Halsbereich (Abbildung 3). Nach dem Debridement wurde der Wundbereich großzügig gespült. Abschließend wurden multiple Drainagen in die eröffneten Logen eingebracht und mittels Annaht fixiert (Abbildung 4). Bereits bei der anästhesiologischen Einleitung war das Airway-Management mit fiberoptischer Intubation erschwert. Daher erfolgte die intraoperative Entscheidung zur Tracheotomie des Patienten zwecks Atemwegssicherung. Postoperativ wurde der Patient bei einem beginnend septischen Krankheitsbild auf die Intensivstation übernommen. Die intraoperativ gewonnenen Wundabstriche zeigten neben Staphylokokken auch zahlreiche grampositive und -negative Anaerobier wie Prevotella buccae und Bifidobacterium dentium. Nach Rückübernahme auf die Normalstation erfolgte zunächst die intensivierte antibiotische Therapie mit Tazobactam und Imipenem, die in enger Absprache mit der mikrobiologischen Abteilung in domo nach Antibiogramm im Verlauf auf Ciprofloxacin und Metronidazol umgestellt wurde. Laborkontrollen der Infektionsparameter und der Elektrolyte wurden täglich durchgeführt. Postinterventionell zeigte der Patient Zeichen einer kardialen Dekompensation mit generalisierten Ödemen und verminderter Belastbarkeit. Eine Endokarditis konnte durch mehrere Vorstellungen in der kardiologischen Klinik der Universitätsmedizin jedoch ausgeschlossen werden. Ein erneutes Aufflammen der klinischen und der laborchemischen Infektionsparameter erforderte ein erneutes Eröffnen der zervikalen Logen und die Drainage von nekrotischen Gewebe (Abbildung 5). Unter täglichen Verbandswechseln und ausgedehnten Spülungen konnte der Patient vom Tracheostoma entwöhnt und sämtliche Drainagen konnten entfernt werden. Nach einem prolongierten Aufenthalt von vier Wochen wurde der Patient in die ambulante Nachsorge entlassen. Abb. 2: Computertomografie präoperativ in axialer Schicht: Es zeigen sich unter anderem am linken Kieferwinkel Einschmelzungen. Quelle: Kämmerer DR. MED. DR. MED. DENT. MAXIMILIAN KRÜGER Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen, Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz Foto: privat CME AUF ZM-ONLINE Vom Abszess im Unterkiefer zur Intensivstation Für eine erfolgreich gelöste Fortbildung erhalten Sie zwei CME-Punkte der BZÄK/DGZMK. ZAHNMEDIZIN | 27

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