Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 9

steigen die Kosten für die Rechtsanwälte. Insgeheim wünschen beide der anderen alles Schlechte, diese soll geschädigt werden – selbst wenn dies mit einer eigenen Schädigung verbunden ist. Aus der Win-win-Situation ist eine Lose-lose-Situation geworden. HINTER EINEM STREIT STECKT EIN KONFLIKT In einer solchen Situation können die beiden Zahnärztinnen ihren Streit nicht mehr alleine lösen. Auch die inzwischen angerufenen Gerichte können nicht wirklich weiterhelfen. Abgesehen davon, dass gerichtliche Verfahren sehr lange dauern, entscheiden diese immer nur einen konkreten Streit – zum Beispiel über die Gewinnverteilung oder über die Sperrung des Kontos. In solchen Fällen geht es aber nur vordergründig um den gerade vor Gericht verhandelten Streitpunkt. Dahinter steckt ein tiefer liegender Konflikt zwischen den beteiligten Personen. Solange dieser nicht aufgedeckt und gelöst ist, wird es immer neue Streitpunkte geben – und damit auch immer neue Gerichtsverfahren ... In unserem Beispiel ging es bei oberflächlicher Betrachtung um eine konkrete Steuererklärung. Dahinter steckte eine strukturell ungleiche Gewinnverteilung. Höchstwahrscheinlich bestand auch ein emotionales Problem: Dr. B fühlte sich von der resoluten Dr. A nicht als gleichwertig angenommen (und gab deshalb meist nach). Eine noch tiefer gehende Analyse könnte zu dem Ergebnis führen, dass Dr. A in ihrem Verhalten Dr. B an schlimme Erfahrungen in Kindheit und Jugend erinnert. Dies mag nach Psychologisierung klingen, die Erfahrung lehrt jedoch, dass solche frühen Erfahrungen lange nachwirken und zu Konflikten führen. STREITPUNKTE: PERSONAL UND ANSCHAFFUNGEN Neben finanziellen Fragen sind die typischen Streitigkeiten in Zahnarztpraxen die Anschaffung von Einrichtungsgegenständen oder die Einstellung oder Entlassung von Personal. In solchen Fällen muss nach dem zugrunde liegenden Konflikt gesucht werden. Nicht selten geht es um die Auseinandersetzung zwischen einem älteren Zahnarzt, der die Praxis aufgebaut hat, und einem jüngeren, der später eingestiegen ist und nun alles anders machen will. Dies lehnt der ältere ab mit der Begründung, das habe er schon immer so gemacht und es funktioniere gut. Oft beklagt sich der jüngere dann darüber, dass der ältere schlecht behandle und die Entwicklung verschlafen habe. Er, der jüngere, müsse das alles wieder ausbügeln. Besonders heikel wird es, wenn ein Partner sich weigert, gesetzlich vorgeschriebene Anforderungen zum Beispiel an die Röntgen-Anlage oder die Hygiene betreffend zu erfüllen. Schließlich setzt er damit alle anderen Partner der Gefahr der Bestrafung aus. In solchen verfahrenen Situationen brauchen die Beteiligten professionelle Hilfe. Diese kann von ausgebildeten Mediatoren geleistet werden. Dieser sollte rechtzeitig eingeschaltet werden, bevor sich beide Parteien gegenseitig schon solche Wunden beigebracht haben, dass eine Annäherung sehr schwer wird. Sofern die Beteiligten noch bereit sind, an einer Wiederherstellung einer Win-winSituation mitzuwirken, wird der Mediator ihnen darstellen, wie sehr sie voneinander profitieren. Im konkreten Fall sollte Dr. A erkennen, dass sie viele ihrer Implantatpatienten nur gewonnen hat, weil zuvor deren Kinder von Dr. B liebevoll behandelt wurden und so auch deren Eltern die Praxis schätzen gelernt haben. Umgekehrt sollte Dr. B verstehen, dass sie für die Behandlung schwieriger Foto: AdobeStock_WavebreakMediaMicro DR. MED. DENT. WIELAND SCHINNENBURG Zahnarzt, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht und Mediator www.rechtsanwalt-schinnenburg.de Foto: privat zm112, Nr. 9, 1.5.2022, (829) PRAXIS | 19

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