Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 9

zm112, Nr. 9, 1.5.2022, (830) Kinder die Praxis und insbesondere das Personal sehr in Anspruch nimmt. Wenn das Vertrauen wieder gewachsen ist, werden die Zahnärztinnen vielleicht entdecken, dass sie auch emotional durchaus voneinander profitieren können: Die resolute Dr. A und die einfühlsame Dr. B können durchaus ein „Match“ sein. WANN BRAUCHT MAN EINEN MEDIATOR? Woran erkennt man nun, ob die Einschaltung eines ausgebildeten Mediators nötig ist? Dafür gibt es zwei Kriterien: \ Wenn es bei dem Streit nicht mehr um die Lösung des Problems, sondern um die Durchsetzung der eigenen Position geht („Das lasse ich mir nicht gefallen!“). \ Wenn die Schädigung des anderen bewusst in Kauf genommen wird („Der muss es spüren!“). Für eine solche Mediation muss man sich Zeit lassen – sie kann nicht zwischen zwei Patienten erfolgen, auch nicht an einem Abend. Angesichts der enormen wirtschaftlichen (und emotionalen) Folgen eines eskalierten Streits sollte zumindest ein halber Behandlungstag freigehalten werden. \ WAS IST MEDIATION? Der Begriff „Mediation“ kommt vom Lateinischen „Mediatio“ = Vermitteln. Hingegen wird bei einem Gerichtsverfahren gerichtet, also entschieden. Bei einer Mediation geht es also nicht darum, eine Entscheidung herbeizuführen, bei der es Sieger und Verlierer gibt. Vielmehr wird eine einvernehmliche Einigung angestrebt, unterstützt und geführt von einem neutralen Dritten, dem Mediator oder der Mediatorin. Die fünf Grundsätze der Mediation: \ Da ist zunächst das Prinzip der Freiwilligkeit, das heißt, niemand wird zu einer Mediation gezwungen und jeder Beteiligte kann die Mediation jederzeit abbrechen. Das ist bei einem Gerichtsverfahren anders: Dort ist regelmäßig mindestens eine Partei – der Beklagte – nicht freiwillig da. Der Beklagte kann das Gerichtsverfahren auch nicht einfach beenden. \ Mediationen sind immer vertraulich. Die Parteien müssen vor Beginn der Mediation schriftlich Verschwiegenheit versprechen. Sie dürfen das in der Mediation Gesagte nicht einmal in einem späteren Rechtsstreit verwenden. Auch der Mediator muss Vertraulichkeit zusichern. Dies ist besonders einfach, wenn der Mediator Rechtsanwalt ist. Denn Rechtsanwälte unterliegen der anwaltlichen Schweigepflicht. Hingegen sind die Verhandlungen vor den staatlichen Gerichten meist öffentlich, Patienten und Medien erfahren also von dem Streit. \ Wie ein Richter muss der Mediator neutral sein. Allerdings darf und soll der Mediator mit den Parteien getrennte Einzelgespräche führen, um Hintergründe zu erfahren und Lösungsmöglichkeiten auszuloten. Dies ist dem Richter streng verboten. \ Der Mediator hat anders als ein Richter keine Entscheidungsgewalt, vielmehr hilft er den Parteien, in Eigenverantwortlichkeit selbst ein Ergebnis zu finden \ Es besteht bis zum Schluss Ergebnisoffenheit, das heißt es ist Kreativität gefragt. Ein Gericht entscheidet einen konkreten Fall, eine Mediation will eine Lösung für die Zukunft. Wie läuft eine Mediation ab? Nachdem die Parteien schriftlich Verschwiegenheit versichert haben, erläutert der Mediator das Verfahren und die Verfahrensgrundsätze. Dann folgt die wichtige Bestandsaufnahme: Die Parteien sollen jeweils aus ihrer Sicht darstellen, worum es bei dem Streit geht (zum Beispiel eine andere Gewinnverteilung). Der Mediator soll dafür sorgen, dass der dahinter stehende Konflikt offengelegt wird (etwa das Gefühl, vom anderen nicht fair behandelt zu werden). Hierbei wird regelmäßig gefragt, wie die Parteien unabhängig vom konkreten Streit zueinander stehen. Dies offenzulegen, ist oft nicht angenehm, aber unverzichtbar. Denn bei einer gestörten Beziehung mit nicht aufgedeckten Vorbehalten gegen den anderen, werden die Parteien bald den nächsten Streit haben. Dann geht es darum, dass die Parteien nicht mehr Prinzipien („Ich arbeite niemals am Mittwochnachmittag“) vertreten, sondern Interessen („Ich möchte mehr Zeit für meine Familie haben“). Es ist oft schmerzlich, sich von diesen Prinzipien zu verabschieden, denn diese wurden ja im vorhergehenden Streit als unabdingbar dargestellt. Möglichst sollten in dieser Phase gemeinsame Interessen entwickelt werden („Wir wollen beide mehr Freizeit haben“). Anschließend sollten die Parteien angeregt werden, Ideen zu entwickeln, wie diese gemeinsamen Interessen verwirklicht werden können („Wir teilen die Praxiszeiten anders auf“). Hierbei gibt es keine schlechten oder bösen Ideen. Jede Art von Vorschlägen ist willkommen. Nicht selten werden Vorschläge gemacht, die das Problem umgehen („Wir stellen noch einen Zahnarzt an“). Wenn sämtliche Ideen nicht sofort abgeschmettert, sondern fair erwogen werden, entsteht wieder Vertrauen zwischen den Parteien. Schließlich wird mithilfe des Mediators eine Abschlussvereinbarung formuliert. Auch wenn die Parteien zur Eile drängen, wird ein guter Mediator für „Entschleunigung“ sorgen. Keinesfalls darf es passieren, dass Vorbehalte nicht aufgedeckt werden. Diese könnten später den Erfolg gefährden. 20 | PRAXIS

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