Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 9

zm112, Nr. 9, 1.5.2022, (842) Nach erneuter Besprechung des Falles im interdisziplinären Tumorboard wurde eine Radiatio empfohlen. Um unerwünschte Folgen der Bestrahlung im Bereich der Zungen- und Wangenschleimhaut zu vermeiden, wurde nach Scannen von Ober- und Unterkieferabdrücken des Patienten eine patientenspezifische Vorrichtung, die einen zungenretrahierenden Strahlenstent und einen Wangenschleimhautretraktor kombiniert, digital designt und 3-D-gedruckt (Abbildung 8). Im Anschluss folgte eine fraktionierte Bestrahlung im Bereich des Oberkiefers und des Gaumens mit einem zirkulären Sicherheitsabstand von 2 cm und einer Gesamtdosis von 57,5 Gray. Nach einer anfänglich ausgeprägten perioralen Mukositis gestaltete sich der weitere Verlauf komplikationslos. Die prothetische Versorgung erfolgte mit einer keramisch vollverblendeten, implantatgetragenen Brücke von 12 auf 21 (Abbildung 9), aufgrund der vorausgegangenen Resektion eines Teils des anterioren Alveolarkamms durchaus kompromissbehaftet, jedoch funktionell und aus Sicht des Patienten höchst zufriedenstellend. Der Patient stellt sich seit zwei Jahren in regelmäßigen Intervallen zu klinischen und sonografischen, bisher unauffälligen Verlaufskontrollen vor. DISKUSSION Das maligne Melanom der Haut rangiert bei Männern auf Platz 5 und bei Frauen auf Platz 4 der häufigsten Krebserkrankungen in Deutschland. Die Inzidenz des malignen Melanoms der Haut ist in den vergangenen Jahrzehnten sprunghaft auf aktuell circa 20 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr angestiegen. Dies liegt zum einen amWandel der Gesellschaft hin zu mehr Freizeitaktivitäten, die im Zusammenhang mit einer vermehrten UV-Exposition stehen, was den Hauptrisikofaktor für die Entstehung eines kutanen malignen Melanoms darstellt. Zum anderen steht der Anstieg der Inzidenz aber auch mit einer häufigeren Diagnosestellung aufgrund der Einführung des Hautkrebsscreenings ab dem 35. Lebensjahr in Verbindung [Robert Koch-Institut, 2017, aktueller Stand 2021]. Rund 25 Prozent der malignen Melanome entstehen im Kopf-Hals-Bereich, primäre Schleimhautmelanome der Mundhöhle machen aber insgesamt nur weniger als ein Prozent aller malignen Melanome und weit unter ein Prozent der malignen Mundhöhlentumoren aus. Sie stellen damit eine sehr seltene Entität dar. Hauptlokalisation sind der harte Gaumen und die Gingiva des Oberkiefers [Ashok et al., 2020]. Der Tumor geht histologisch von Melanozyten aus, die im Bereich der Haut der Pigmentierung dienen und vor schädlicher UV-Strahlung schützen. In der Mundhöhle scheinen sie antimikrobielle Aufgaben zu erfüllen und sind somit der Immunabwehr zuzuordnen [Mackintosh, 2001; Plonka et al., 2009]. Als Risikofaktoren für die Entstehung eines Mundschleimhautmelanoms (orales mukosales Melanom; OMM) werden karzinogene Noxen wie Rauchen oder übermäßiger Alkoholkonsum, aber auch verschiedene genetische Mutationen vermutet. Sonneneinstrahlung spielt beim OMM keine Rolle, eine Vorläuferläsion wurde bisher nicht identifiziert [Tchernev et al., 2018; Ashok et al., 2020]. Nach der Anamnese steht die klinische Untersuchung im Vordergrund, Abb. 5: Röntgenkontrollaufnahme nach Implantatinsertion: In den regiones 12 und 21 wurden zwei Implantate (Straumann BLX 3,7 x 10 mm) inseriert. DR. MONIKA BJELOPAVLOVIC, M.SC. Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde, Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg Universität Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz Foto: Universitätsmedizin Mainz CME AUF ZM-ONLINE In-situ-Melanom der Mundschleimhaut Für eine erfolgreich gelöste Fortbildung erhalten Sie zwei CME-Punkte der BZÄK/DGZMK. Abb. 6: Zweites Rezidiv des oralen mukosalen Melanoms (über einen Spiegel fotografiert): Eine unregelmäßige hellbraune Mundschleimhaut palatinal der regiones 13, 14, 15 und eine fibrinbelegte Ulzeration palatinal regio 011 werden deutlich. 32 | ZAHNMEDIZIN

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