Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 9

aktivität als mit dem Ausmaß einer bereits vorbestehenden Knochendestruktion zusammenzuhängen. Wenn man postuliert, dass die lineare Ausdehnung des Knochenödems als ein frühes Vorläuferstadium einer entzündlich bedingten Geweberesorption zu werten wäre, dann könnte der Gesamtknochenverlust, das heißt der tatsächliche und der präklinische Knochenverlust, den durch klinische Tests – wie Taschensondierungstiefen – vermuteten Knochenverlust um bis zu 89 Prozent übersteigen. Sowohl der Erfolg der Parodontalbehandlung als auch die Prognose für den Erhalt parodontal geschädigter Zähne werden stark vom verbleibenden Attachment und einer erhöhten Zahnmobilität beeinflusst [Faggion et al., 2007]. Obwohl die Entscheidung über den Erhalt oder die Entfernung von Zähnen mit progredienter Parodontalerkrankung in erster Linie auf dem Fortschreiten des Knochenverlusts beruht, haben mehrere Studien gezeigt, dass die Prognose für eine erfolgreiche Behandlung und/oder das Überleben der Zähne nur unzureichend vorhersagbar ist [McGuire, 1991; Checchi et al., 2002]. Da die mittels MRT festgestellten knöchernen Veränderungen mit einer signifikanten Entzündung zusätzlicher Teile des zahntragenden Knochens korrelieren, die über den klinischen Gewebedefekt hinausgehen, könnte man annehmen, dass die schlechte Vorhersagbarkeit zumindest teilweise durch den Mangel an Informationen über den tatsächlichen Umfang des bereits erkrankten Gewebes bedingt ist. Auch wenn die intraossären Veränderungen nicht zwangsläufig zu einem parodontalen Knochenverlust in der Zukunft führen müssen, könnte eine ergänzende MRT-Untersuchung der von Parodontitis betroffenen Zähne vor der Entscheidung über die Zahnerhaltung die Chance für eine belastbarere Therapieoption bieten. Nachteile der MRT-Diagnostik sind deren hohe Kosten und die bislang noch begrenzte Verfügbarkeit. Suszeptibilitätsartefakte durch restauratives Material stellen nur bei stark magnetischen Komponenten ein Hindernis dar. Es hat sich gezeigt, dass – selbst wenn einzelne Zähne aufgrund von Metallartefakten nicht auswertbar sein sollten – sich nur sehr selten der ganze Patient als ungeeignet für die MRTDiagnostik erweist. Nicht die Menge des Fremdmaterials, sondern die Tatsache, ob das verwendete Material ferro- oder diamagnetisch ist, führt zu metallinduzierten Artefakten. Gold und Amalgam zum Beispiel erzeugen fast keine Artefakte, Titan nur wenige, während Edelstahl hohe Artefakte verursacht [Chockattu et al., 2018]. Kürzlich durchgeführte oralchirurgische Eingriffe müssen anamnestisch erfragt werden, da auch diese zu einem knöchernen Ödem durch die mechanische Manipulation führen könnten. Das gilt auch für Tumorerkrankungen und Osteomyelitis. ZUSAMMENFASSUNG Die MRT ist in der Lage, parodontal erkrankte Zähne und die damit verbundenen intraossären Veränderungen darzustellen. Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass das Knochenödem als Surrogatmarker für frühe Stadien der Parodontalerkrankung dienen kann. Damit kann die MRT einen Mehrwert für die Parodontitisdiagnostik generieren. Herauszustellen ist, dass selbst an formal „parodontal gesunden“ Stellen mit einer Taschentiefe < 3 mm bei Vorliegen eines positiven Blutungszeichens bei der Sondierung überhäufig bereits ein knöchernes Ödem gefunden werden kann. Diese Erkenntnisse bieten neue Möglichkeiten für die Früherkennung, Entscheidungsfindung und das Therapiemonitoring von Parodontalerkrankungen. \ PROF. DR. MED. DR. MED. DENT. MATTHIAS FOLWACZNY Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Klinikum der Universität München, Ludwig-Maximilians-Universität München Goethestr. 70, 80336 München Foto: privat zm112, Nr. 9, 1.5.2022, (867) ZAHNMEDIZIN | 57

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