Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 9

zm112, Nr. 9, 1.5.2022, (877) EFFEKTIVE MUNDHYGIENE Mundhygiene in Verbindung mit subglottaler Absaugung und Hochlagerung des Kopfteils des Bettes wurde als wichtige Strategie zur Verringerung der VAP-Inzidenz vorgeschlagen [Tablan et al., 2004]. Die Mundhygiene wird in klinischen Leitlinien als Mittel zur Verringerung der VAP-Inzidenz empfohlen, obgleich die Evidenz hierfür begrenzt ist [Khasanah et al., 2019]. So lautet die Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention des Robert Koch-Instituts (RKI) zur Infektionsprävention in Heimen: „Die Bewohner sollen zur Durchführung einer effektiven Mundhygiene angeleitet und über die Prothesenpflege aufgeklärt werden. Zähne sollten am besten nach jeder Mahlzeit, mindestens aber zweimal pro Tag, geputzt werden. Auch die Prothesenpflege erfordert besondere Sorgfalt, wobei geeignete bisherige Maßnahmen des Bewohners beibehalten werden können. Sofern die Bewohner nicht in der Lage sind, eine ausreichende Zahn- und Prothesenpflege durchzuführen, ist Hilfestellung zu geben oder die Pflege zu übernehmen. Prothesen regelmäßig auf Plaque und Pilzbefall inspizieren und gegebenenfalls eine professionelle Reinigung veranlassen“ [Bundesgesundheitsblatt, 2005]. Die Mundhygiene umfasst dabei unter anderem die Verwendung von Mundspülungen, Gels, Tupfern oder Zahnbürsten (manuell oder elektrisch), um Plaque und Ablagerungen in der Mundhöhle zu entfernen. Zur Mundhygiene gehört auch das Absaugen von überschüssiger Flüssigkeit, Zahnpasta und Ablagerungen, woran sich die Anwendung eines antiseptischen Gels anschließen kann. Der Begriff Antiseptika ist weit gefasst und umfasst beispielsweise Kochsalzlösung, Chlorhexidin, Povidon-Jod, Cetylpyridium und möglicherweise andere Mittel, jedoch keine Antibiotika [Zhao et al., 2020]. Eine Chlorhexidin-Mundspülung (oder -Gel) als Teil der Mundhygiene reduziert wahrscheinlich die Inzidenz der Beatmungs-assoziierten Pneumonie (VAP) bei kritisch kranken Patienten von 26 Prozent auf etwa 18 Prozent im Vergleich zu Placebo oder üblicher Pflege, obwohl die Beweise hierfür gering sind [Zhao et al., 2020]. Eine Mundhygiene, die sowohl Antiseptika als auch Zahnbürsten umfasst, könnte wirksamer sein als eine Mundhygiene mit Antiseptika allein, um die Inzidenz von VAP und die Dauer des Aufenthalts auf der Intensivstation zu verringern, aber auch hier ist die Evidenz zum jetzigen Zeitpunkt noch gering [Zhao et al., 2020]. Krankenschwestern und -pfleger bevorzugen zur intraoralen Reinigung allerdings häufig Wattestäbchen, weil die Anwendung einfach ist, wenig Vorbereitungsaufwand erfordert und die Mundhöhle damit scheinbar schneller zu reinigen ist als beim Zähneputzen mit Zahnbürste und Zahnpasta [Kite, 1995; McCaughan et al., 2002]. In der unter hohem Druck stehenden und hoch technisierten Intensivpflege wird der Mundpflege bislang eine geringe Priorität eingeräumt [Jones et al., 2004; Berry et al., 2007; Yeung KY und Chui, 2010]. Eine Studie ergab, dass neun von zehn Krankenschwestern bei der Reinigung der Mundhöhle von intubierten Patienten Schaumstoffstäbchen gegenüber Zahnbürsten bevorzugten [Khasanah et al., 2019]. In einer Beobachtungsstudie wurde festgestellt, dass die Krankenschwestern die Art und Technik der Mundpflege variierten, was möglicherweise auf die Vielzahl der zur Verfügung stehenden Reinigungsgeräte zurückzuführen ist [McNeill, 2000]. Aktuelle Daten, insbesondere zur Realität in Deutschland, wurden in den indexierten Artikeln nicht gefunden. Möglicherweise bestehen hier auch Schnittstellenprobleme zwischen Pflege und Zahnmedizin. DIE ROLLE DES ZAHNARZTES Der Zahnarzt sollte als unterstützender Ansprechpartner fungieren und dazu beitragen, die Pflegekräfte zu einer suffizienten Mundpflege anzuleiten. Die Anleitung sollte eine schriftliche Dokumentation der empfohlenen Pflegemaßnahmen beinhalten, sowie eine praktische Anleitung der zu nutzenden Pflegehilfsmittel. Die Notwendigkeit eines regelmäßigen Biofilm-Managements muss den Pflegekräften vermittelt werden, denn die richtige Vorsorgestrategie ist gleichzeitig gelebte Infektionsprävention. Durch die häufig über einen längeren Zeitraum insuffizient durchgeführte MUNDHYGIENEMAßNAHMEN (EINZELN ODER IN KOMBINATION ANZUWENDEN) Mundspülung antiseptisches Gel (eine Substanz, die schädliche Mikroorganismen im Mund abtötet) für Zahnfleisch und Zähne einen weichen Schaumstoffschwamm (Tupfer) oder eine Zahnbürste, um den Mund und die Zähne zu reinigen Hilfsmittel (zum Beispiel ein Saugrohr), um überschüssige Flüssigkeit, Zahnpasta oder andere Rückstände aus dem Mund abzusaugen Tab. 2 PRAKTIKERPREIS Den Autoren Dr. Gonzalo Baez (Lippstadt) und Dominic Jäger (Warstein) wurde zusammen mit ihrem Kollegen Dominik Niehues (Geseke) für ihr gemeinsam erarbeitetes Konzept zur aufsuchenden Betreuung von besonders vulnerablen Patientengruppen von der Jury der Deutschen Gesellschaft für Präventivzahnmedizin (DGPZM) der Praktikerpreis 2020 verliehen. Dieses Konzept beinhaltete auch die hier vorgestellte zahnärztlichen Betreuung von beatmeten Patienten unter palliativen Gesichtspunkten. ZAHNMEDIZIN | 67

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