Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 9

zm112, Nr. 9, 1.5.2022, (878) Mundhygiene empfiehlt es sich, zuerst durch eine initiale „professionelle Reinigung“ einfachere Grundvoraussetzungen für die Pflegekräfte zu schaffen, beispielsweise durch die Entfernung von Zahnstein. Weiterhin kann der Zahnarzt im Rahmen der aufsuchenden Versorgung kleinere Behandlungen am Krankenbett durchführen und so aufwendige Transporte in die Praxis oder in Kliniken mit Beatmungsplätzen verhindern. BESONDERHEITEN DER ZAHNÄRZTLICHEN BETREUUNG In der Regel ist der ambulante Zahnarztbesuch für einen beatmeten Patienten keine realistische Option. So bleibt häufig der aufwendige Transport in eine Zahnklinik, der mit zusätzlichen Belastungen für den Pflegebedürftigen verbunden ist. Die aufsuchende Versorgung bietet hier eine mögliche Alternative. Die Versorgung von Beatmungspatienten stellt das zahnärztliche Team allerdings vor organisatorische sowie medizinische Herausforderungen. Bei der aufsuchenden Versorgung von beatmeten Patientinnen und Patienten, zum Beispiel in einer Beatmungs-WG, sind einige besondere Punkte zu beachten, um Komplikationen zu vermeiden. Im Folgenden sollen die wichtigsten Aspekte aufgegriffen werden, die auch organisatorische Aspekte berücksichtigen. Besuche von Risikopatienten sollten grundsätzlich immer am Ende einer Sprechstunde eingeplant werden. Dabei muss vorab genau geplant werden, welches Material benötigt werden könnte. Es sollte so wenig wie notwendig mit ins Patientenzimmer genommen werden. Das Risiko von beatmeten Patienten, Träger von multiresistenten Erregern zu werden, ist sehr hoch. Es besteht folglich für den Zahnarzt ein erhöhtes Ansteckungsrisiko bei der Untersuchung und Behandlung dieser Patientengruppe, weshalb die Verwendung von Schutzkleidung (Einmalkittel, Mundschutz, Handschuhe) obligat ist. Hier ist auf die Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim RKI zu verweisen, um ein Verschleppen von Keimen von Patient zu Patient oder eine Übertragung in die Praxisräume zu vermeiden. Das Praktizieren der korrekten Händehygiene ist eine wesentliche Maßnahme zur Prävention einer VAP. Sie verhindert effektiv die Übertragung von (unter anderem multiresistenten) Erregern von Behandler zu Patient und dadurch die Entstehung von Ausbruchsituationen. Die Händedesinfektion ist immer vor und nach jedem Kontakt mit dem Patienten beziehungsweise mit Beatmungsutensilien und -Geräten durchzuführen, unabhängig davon, ob Schutzhandschuhe getragen wurden oder nicht. Das Tragen von Schutzhandschuhen muss als selbstverständlich angesehen werden. Die Desinfektion der Schuhsohlen vor dem Verlassen des Patientenzimmers darf dabei nicht vergessen werden. Vor allen zahnärztlichen Maßnahmen empfiehlt es sich, die ausreichende Blockung des Cuffs zu kontrollieren oder kontrollieren zu lassen. Grundsätzlich sollten alle zahnärztlichen Mundhygienemaßnahmen in Oberkörperhochlagerung vorgenommen werden, während eine regelmäßige konstante subglottische Absaugung erfolgen muss. Ein nicht unerheblicher Teil der Beatmungs-assoziierten Pneumonien wird durch Wasserkeime verursacht. Deshalb ist es empfehlenswert, während der Behandlung Mundspülungen ausschließlich mit steriler Flüssigkeit oder sterilfiltriertem Leitungswasser durchzuführen [Trautmann et al., 2009]. Bei Rückkehr in der Praxis sollte ein direktes Ablegen der getragenen Kleidung in geeignete Wäschesäcke erfolgen, wobei unnötiges Umherlaufen in den Praxisräumen strikt vermieden werden muss. Abschließend ist zu sagen, dass es eine hohe Notwendigkeit für zahnmedizinische Betreuung von BeatmungsWGs gibt, jedoch eine vorherige Auseinandersetzung mit dem Thema notwendig ist, um auf die besonderen Gegebenheiten eingehen zu können. Darüber hinaus wäre es wünschenswert, dass weitere wissenschaftliche Untersuchungen bezüglich dieser medizinisch anspruchsvollen Patienten durchgeführt werden würden, um evidenzbasierte Handlungsempfehlungen aussprechen zu können. Es ist unvorstellbar, dass beatmete Patienten derweil häufig ohne jegliche konsequente Unterstützung im Bereich der Mundhöhle versorgt werden. Hier gilt es, dringend Versorgungsstrukturen zu schaffen. Die Implementierung des Expertenstandards Mundgesundheit wird dazu führen, das vermehrt Pflegeeinrichtungen aktiv auf Zahnärzte zugehen werden. \ TAKE-HOME-MESSAGE \ Die zahnärztliche Versorgung von beatmeten Patienten zielt darauf ab, das Auftreten von VAP zu verhindern, da diese Erkrankung mit einer hohen Sterblichkeit, einer schwierigen Behandlung und hohen Kosten verbunden ist. Andererseits ist die Mundpflege eine kostenwirksame Maßnahme. \ Die Mundpflege könnte eine wichtige Rolle bei der Prävention spielen. \ Empfohlen wird CHX 0,12 Prozent, das die Inzidenz der VAP, nicht aber die VAPMortalität verringert. \ Zahnbürsten (manuell oder elektrisch) könnten die VAP-Inzidenz, nicht aber die Mortalität verringern. \ Zahnpasta bietet keinen Vorteil bei der VAP-Inzidenz. Deren Verwendung sollte nicht empfohlen werden. \ Topische Antibiotika zur selektiven oralen Dekontamination sollten wegen des schlechter belegten Effekts und des Risikos der Resistenzentwicklung eher nicht verwendet werden. Die begleitende enterale Applikation von Probiotika über die Ernährungssonde kann erwogen werden. DOMINIC JÄGER, M.SC. Spezialist für Seniorenzahnmedizin der DGAZ Zahnärzte Warstein – Dr. Oeder & Jäger Kreisstr. 66, 59581 Warstein d.jaeger@praxis-warstein.de Foto: privat 68 | ZAHNMEDIZIN

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