Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 9

zm112, Nr. 9, 1.5.2022, (890) gegenüber allen gängigen zahnärztlichen Restaurationsmaterialien einschließlich Komposit-Kunststoffen. Bei der Vorstellung in der Poliklinik für Zahnerhaltungskunde der MZKKlinik des Universitätsklinikums Heidelberg zeigten sich abgesehen von der insuffizienten Versorgung des Zahnes 36 weder klinisch noch röntgenografisch weiterreichende pathologische Befunde. Die parodontalen Sondierungstiefen waren leicht erhöht und es kam generalisiert zum Bluten nach Sondieren im Sinne einer parodontalen Entzündung. Die Patientin legte bei der Vorstellung in der Klinik den Therapievorschlag eines weiteren alternativmedizinisch orientierten Kollegen vor, den dieser auf der Grundlage „bioenergetischer“ Testungen (hier: „Resonanzketten“) erstellt hatte. Danach sollten zwei erhaltungswürdige Zähne wegen angeblich negativer energetischer Einflussnahmen auf die Bauchspeicheldrüse und den Enddarm der Patientin extrahiert werden (Abbildungen 2a bis 2c). Die Patientin stand mittlerweile alternativmedizinischen Vorstellungen sehr vertrauensvoll gegenüber und machte sich die Sicht des Alternativmediziners im Sinne einer malignen Arzt-Patient-Beziehung zu eigen. Sie verlangte nachdrücklich die Extraktion der beiden Zähne 35 und 36 und bat um die Suche von Dentalmaterialien, die sie tolerieren könne. In der Klinik wurde ihr eröffnet, dass es sich bei den „bioenergetischen“ Tests des alternativmedizinisch orientierten Kollegen um umstrittene Methoden handelt. Nach einer umfassenden zahnärztlichen Untersuchung wurde ihr angeboten, zunächst die parodontalen Entzündungsreaktionen anzugehen, worauf sie – wenn auch zunächst sehr misstrauisch und widerstrebend – einging. Nach professionellen Zahnreinigungen in Verbindung mit einem Mundhygienetraining, das sich insbesondere auf den sachgerechten Einsatz von Interdentalraumbürsten bezog, kam es rasch zu einem von der Patientin positiv registrierten Rückgang des Zahnfleischblutens. Der Sinn dieser nicht-invasiven vorbereitenden Maßnahmen lag nicht nur in der Behandlung der parodontalen Entzündung. Sie verfolgten darüber hinaus Zweck, ein persönliches Vertrauensverhältnis aufzubauen. Es gelang nach und nach, die Patientin von dem Extraktionswunsch abzubringen. Aufgrund ihrer nahezu unerschütterlichen Vorstellung einer „Kunststoffunverträglichkeit“ kam ein Einsatz von Kompositen zunächst nicht in Betracht. Sie stimmte jedoch einer erneuten Versorgung mit Amalgam zu, das sie nachweislich über mehrere Jahrzehnte sehr gut vertragen hatte. Die Eingliederung der Amalgamrestauration führte zur sofortigen und anhaltenden Beschwerdefreiheit (Abbildungen 2d und 2e). Bei der Patientin wurde das zahnerhaltende Konzept, nämlich prävenAbb. 2: Eine 48-jährige Patientin stellte sich mit Schmerzen regio 36 nach prophylaktischer „Amalgamsanierung“ und „Entgiftung“ vor. a: Von alternativmedizinischer Seite war ihr eröffnet worden, sie leide unter höchst ungünstigen energetischen Verbindungen zwischen bestimmten Zähnen und Körperorganen. b und c: Ihr war dringend geraten worden, den Zahn 35 (mit vermeintlich schädigender Wirkung auf die Bauchspeicheldrüse) sowie den Zahn 36 (mit vermeintlich schädigender Wirkung auf den Enddarm) extrahieren zu lassen. An dem vitalen Zahn 36 war eine „fortgeschrittene Pulpitis“ und „gangränöse Pulpa“ diagnostiziert worden, was sich später jedoch nicht verifizieren ließ. Der Zahn 35 war mit einer Stiftüberkronung versorgt und nach Ansicht des alternativmedizinischen Behandlers ebenfalls nicht erhaltungsfähig [Staehle, 2009]. b c a Quelle: Staehle 35 36 80 | ZAHNMEDIZIN

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