Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10

zm112, Nr. 10, 16.5.2022, (988) sung vom Praxisverkäufer mehr Zeit in Anspruch nimmt. Bei der Vereinbarung erfolgsabhängiger Gehaltsbestandteile (wie Bonuszahlungen, umsatz- oder gewinnabhängige Vergütungen) sollte man mit Augenmaß agieren. Die Vereinbarung sollte nicht den Eindruck erwecken, dass der veräußernde Zahnarzt als Angestellter weiterhin sein Unternehmerrisiko fortsetzt. Der Anstellungsvertrag sollte daher vom Steuerberater auf etwaige Problemfelder hin überprüft werden. „GERINGE“ FREIBERUFLICHE TÄTIGKEIT Tatsächlich darf der Abgeber auch weiter freiberuflich „wenige“ Patienten betreuen. Die Finanzverwaltung gesteht ihm zu, bis zu zehn Prozent seiner bisherigen Umsätze auch nach der Abgabe weiterhin freiberuflich zu erzielen. Bis vor Kurzem galt diese Umsatzgrenze nur für Bestandspatienten. Schon ein einziger neuer Patient, der die freiberufliche Praxis betrat, führte in der Vergangenheit zu einer Versagung des Steuervorteils. Diese Auffassung wurde mit einem Urteil des Bundesfinanzhofs aus 2020 allerdings gekippt. Jetzt wird die Grenze von zehn Prozent auch akzeptiert, wenn darin Umsätze von Neupatienten enthalten sind. Die Finanzverwaltung hat sich dieser Auffassung mit einer Verwaltungsverfügung angeschlossen. Dennoch ist in der Praxis von dieser Lösung abzuraten, denn die Umsatzgrenze ist häufig schwer zu kontrollieren und einzuhalten. Zudem wird ein Praxisübernehmer in der Regel nicht akzeptieren, dass der Abgeber in unmittelbarer Nähe noch Patienten behandelt, weil er ja auch den Patientenstamm, also den Goodwill, erworben hat. Eine Konkurrenzschutzklausel schließt die Weiterbehandlung im örtlichen Wirkungskreis regelmäßig im Kaufvertrag aus. Man muss damit rechnen, dass die Finanzverwaltung die weitere freiberufliche Tätigkeit sehr genau prüfen wird, weil man den Gewinn im Rahmen der Einkommensteuererklärung angeben muss und das Finanzamt dann einen internen Kontrollhinweis bekommt, dass zuvor die Steuerbegünstigung in Anspruch genommen wurde. GRÜNDUNG EINER GMBH Wird der abgebende Zahnarzt im Anschluss an seine freiberufliche Tätigkeit als GmbH-Gesellschafter(-Geschäftsführer) oder als Angestellter seiner eigenen GmbH zahnärztlich tätig, so kann er dies machen, ohne seine steuerlichen Begünstigungen zu riskieren. Diese Tätigkeiten gelten nicht als freiberufliche Tätigkeiten. URLAUBSVERTRETUNGEN Urlaubsvertretungen, zum Beispiel beim Nachfolger, finden regelmäßig auf freiberuflicher Basis statt. Davon war bis zur vorgenannten Entscheidung des Bundesfinanzhofs aus steuerlichen Gründen abzuraten. Der Beschluss aus 2020 ermöglicht jetzt diese Tätigkeit, doch sollte dies mit Verweis auf die „geringe“ freiberufliche Tätigkeit zuvor betragsmäßig mit dem Steuerberater abgestimmt werden, damit man nicht Gefahr läuft, seine Steuerbegünstigung zu gefährden. Ergänzend sei gesagt, dass die Sozialgerichte selbst bei einer Urlaubsvertretung mittlerweile tendenziell von Angestelltenverhältnissen ausgehen, was die gesamte Problematik wieder egalisiert. GUTACHTERTÄTIGKEIT Ob eine selbstständig ausgeübte Gutachtertätigkeit als steuerschädliche Fortsetzung der früheren Berufstätigkeit anzusehen ist, hängt davon ab, ob diese Arbeit bereits vor dem Verkauf der Praxis ausgeübt oder erst später aufgenommen wurde. Die erstmalige Neuaufnahme einer Gutachtertätigkeit nach der Veräußerung ist unschädlich. Die Fortsetzung einer bereits vor dem Verkauf ausgeübten Gutachtertätigkeit kann hingegen – außerhalb der Zehn-Prozent-Grenze – den „halben Steuersatz“ gefährden. Hier kommt es unter Umständen darauf an, ob diese Einkünfte gemeinsam mit der zahnärztlichen Tätigkeit oder getrennt davon erzielt und erklärt wurden. GRENZBEREICHE Immer wieder erleben wir in unserer Beratungspraxis, dass Abgeber von Praxen Gestaltungen „im Grenzbereich“ wählen, also zum Beispiel selbstständige Tätigkeiten doch möglichst zeitnah nach dem Praxisverkauf und in der örtlichen Umgebung. Wichtig ist hierbei: Man sollte immer das eingegangene Risiko im Auge haben. Bei einem Verkaufspreis von 500.000 Euro beträgt die Steuerbegünstigung schnell rund 100.000 Euro. Wenn man diese Begünstigung riskiert, dann müsste man etwa 200.000 Euro Gewinn erzielen, um allein den Steuervorteil zurückzubezahlen. Dieser Gedanke sollte einen immer leiten, wenn man die Grenzen der Rechtsprechung weiter ausreizen möchte. \ BERNHARD FUCHS Kanzlei Fuchs & Stolz, Volkach Steuerberater / Zahnärzteberatung b.fuchs@fuchsundstolz.de Foto: privat MARCEL NEHLSEN Steuerberater, Diplom-Finanzwirt & Fachberater für das Gesundheitswesen Kanzlei Laufenberg Michels und Partner, Köln nehlsen@laufmich.de Foto: privat 70 | PRAXIS

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