Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10

zm112, Nr. 10, 16.5.2022, (994) DIE OROFAZIALE MUSKULATUR WIRD ÜBERBEANSPRUCHT Ob Blas- oder Streichinstrumente: Rund jeder zweite Musizierende ist von einer craniomandibulären Dysfunktion betroffen. Am Beispiel der Violine beschreiben die Verfasser die beim Musizieren häufig unphysiologische Haltung: Dort werde das Instrument zwischen dem unteren Rand der Mandibula und der linken Schulter eingeklemmt, wobei die Zahnreihen in Okklusion stehen, um den Unterkiefer in dessen Position zu fixieren. Eben diese Haltung führt dann zu einer Überbeanspruchung der orofazialen Muskulatur beim Musizieren. STUDIE AUS BRASILIEN Jeder zweite Musiker leidet unter CMD Bei vielen Berufsmusikern zeigt sich im Laufe ihrer Karriere eine craniomandibuläre Dysfunktion (CMD). Aber auch wer nur in seiner Freizeit ein Instrument spielt kann davon betroffen sein. Rund 53 Prozent aller Musizierenden wiesen Symptome auf. Das konnten Forscher aus Brasilien in einer Metaanalyse zeigen. In die Metaanalyse wurden 13 Studien aus zehn verschiedenen Ländern einbezogen. Die Stichprobengröße reichte von 13 bis 1.470 ProbandInnen. Als gefährdete Gruppen wurden vorwiegend Spielende von Streich- und Blasinstrumenten identifiziert. Insgesamt reichten die in den inkludierten Studien angegebenen CMD-Prävalenzen von 29 bis 89 Prozent bei täglichen Übungszeiten von einer bis 7,5 Stunden. Für die Blasinstrumente wurde eine gepoolte Prävalenz von 52,8 Prozent ermittelt, für Streichinstrumente lag diese bei 53,9. Obgleich die inkludierten Studien eine starke Heterogenität aufwiesen, gebe es Hinweise darauf, dass die tägliche Spieldauer Einfluss auf die Schwere der CMD hat, weshalb vor allem professionell Musizierende betroffen sind. VOR ALLEM PROFIS SIND BETROFFEN Ursächlich für das Entstehen einer CMD ist meist ein Zusammenspiel aus vielen Faktoren. Die AutorInnen weisen unter anderem auf psychosoziale (Performance-Druck) und genetische Faktoren hin, stellen aber besonders die spielbezogenen, muskuloskelettalen Fehlbelastungen in den Fokus. Ein Instrument zu spielen bedeute oft, sich in eine unphysiologische und in Abhängigkeit des Instruments auch asymmetrische Körperhaltung zu begeben. Das Spielen könne multiple direkte und indirekte Mikrotraumata durch wiederholte Bewegungen auslösen. Pathophysiologisch gesehen sei die Muskulatur während des Spielens – in Abhängigkeit vom Musikinstrument – ständig in einem hyperaktiven Zustand. Hinzu kämen möglicherweise fehlendes Aufwärmen sowie das Gewicht des jeweiligen Instruments. nl Originalpublikation: Campos LGN, Pedrosa BH, Cavalcanti RVA, Stechman-Neto J, Gadotti IC, de Araujo CM, Taveira KVM: Prevalence of temporomandibular disorders in musicians: A systematic review and meta-analysis. J Oral Rehabil. 2021 May;48(5):632–642. doi: 10.1111/joor.13150. Epub 2021 Mar 7. PMID: 33474771. Foto: AdobeStock_natalialeb Die Prävalenz von craniomandibulären Dysfunktionen war bei Blas- und Streichinstrumenten etwa gleich. 76 | ZAHNMEDIZIN

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