Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11

zm112, Nr. 11, 1.6.2022, (1068) FORTBILDUNG „ANTIBIOTIKA UND RESISTENZENTWICKLUNGEN“ Verändert CHX orale Keime? Fabian Cieplik, David L. Auer, Wolfgang Buchalla, Ali Al-Ahmad Im Vergleich zu Antibiotikaresistenzen wurde dieses Risiko für Antiseptika und daraus möglicherweise folgende Kreuz-Resistenzen gegenüber Antibiotika wenig beachtet. In der vergangenen Dekade wurden substanzielle Arbeiten publiziert, die Hinweise auf eine mögliche Resistenzentwicklung gegenüber Chlorhexidindigluconat (CHX) geben. Der Beitrag referiert den aktuellen Stand der Forschung. Resistenzen gegenüber Antibiotika und anderen antibakteriellen Agenzien und Verfahren (Antimicrobial Resistance, AMR) gelten als eine der größten Herausforderungen für das Gesundheitswesen im 21. Jahrhundert und wurden kürzlich als „übersehene Pandemie im Schatten von COVID-19“ bezeichnet [Laxminarayan, 2022]. So wurde im Januar 2022 in der Fachzeitschrift „The Lancet“ ein aufsehenerregender Artikel veröffentlicht, in dem für das Jahr 2019 eine mittlere Zahl von 4,95 Millionen mit AMR assoziierten Todesfällen und von 1,27 Millionen direkt auf AMR zurückzuführenden Todesfällen weltweit geschätzt wurde [Antimicrobial Resistance Collaborators, 2022]. Folglich kann AMR als eine der weltweit führenden Todesursachen angesehen werden, die nur hinter COVID-19 und Tuberkulose, aber vor HIV/AIDS und Malaria rangiert, wenn es um die weltweiten Todesfälle durch Infektionen geht [Laxminarayan, 2022]. Es wird davon ausgegangen, dass uns durch die weitere Zunahme von AMR eine Rückkehr in ein prä-antibiotisches Zeitalter drohen könnte. Obwohl die Mundhöhle und ihre Mikrobiota (siehe Abbildung 1 für eine rasterelektronenmikroskopische Aufnahme eines subgingivalen Biofilms) bereits vor einigen Jahren als potenzielles Reservoir für Antibiotikaresistenzgene hervorgehoben wurden [Al-Ahmad et al., 2014; Jiang et al., 2018], ist das Bewusstsein für potenzielle Risiken im Zusammenhang mit der Verwendung von Antiseptika im Hinblick auf AMR beim zahnärztlichen Fachpersonal gering [Cieplik et al., 2019; Mao et al., 2020]. Dies ist umso bemerkenswerter, da eine Vielzahl von Antiseptika, beispielsweise Chlorhexidindigluconat (CHX), in Mundspülungen, Gelen oder Zahnpasten enthalten ist, die entweder für die professionelle Anwendung in der Zahnarztpraxis bestimmt oder als frei verkäufliche Mundpflegeprodukte erhältlich sind. Hinzu kommt, dass es in der Literatur bereits seit längerer Zeit Hinweise auf Resistenzen gegenüber anderen breitflächig eingesetzten Antiseptika wie beispielsweise Benzalkoniumchlorid oder Triclosan gibt [Buffet-Bataillon et al., 2012; McNamara & Levy, 2016]. DAS ORALE GOLDSTANDARDANTISEPTIKUM CHX CHX ist ein zweifach positiv geladenes Bis-Biguanid-Molekül und wird in der klinischen Praxis meist als sein Digluconat-Salz eingesetzt. CHX wurde erstmals 1954 als „neues antibakterielles Mittel von hoher Wirksamkeit“ beschrieben [Davies et al., 1954] und anschließend schnell als Desinfektionsmittel von OP-Gebieten sowie in verschiedenen anderen medizinischen Bereichen wie in der Urologie, der Gynäkologie, der Augenheilkunde und der HNO-Heilkunde eingesetzt, bevor es in den späten 1960er-Jahren in die Zahnmedizin eingeführt wurde [Gjermo, 1974]. Seit den 1970er-Jahren wird CHX schließlich breitflächig in der zahnärztlichen Praxis verwendet, nachdem Harald Löe und C. Rindom Schiøtt eine vollständige Hemmung der Plaquebildung und der Ausbildung einer Gingivitis durch eine zweimal Abb. 1: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme eines subgingivalen Biofilms Quelle: UKR CME AUF ZM-ONLINE Resistenzentwicklung durch Mundspülungen: Verändert CHX orale Keime? Für eine erfolgreich gelöste Fortbildung erhalten Sie zwei CME-Punkte der BZÄK/DGZMK. 42 | ZAHNMEDIZIN

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