Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11

zm112, Nr. 11, 1.6.2022, (1069) täglich durchgeführte Mundspülung mit 0,2 Prozent CHX trotz Einstellung aller weiteren Mundhygienemaßnahmen (Zähneputzen) beschrieben hatten [Löe & Schiøtt, 1970; Gjermo, 1974]. So werden CHX-haltige Mundspülungen zur Plaquekontrolle und zur Behandlung von Gingivitis [Van der Weijden et al., 2015] bei Patienten mit hohem Kariesrisiko, beispielsweise durch festsitzende kieferorthopädische Apparaturen [Pithon et al., 2015], oder bei Patienten nach parodontal- oder implantatchirurgischen Eingriffen [Solderer et al., 2019] eingesetzt. Zudem werden Antiseptika routinemäßig als Mundspülung vor der zahnärztlichen Behandlung im Rahmen des Maßnahmenbündels zum Infektionsschutz während der COVID-19-Pandemie verwendet, um die Belastung durch Mikroorganismen in zahnmedizinischen Aerosolen zu verringern [Gottsauner et al., 2020; Carrouel et al., 2021]. Die antibakterielle Wirkung von CHX wird gewöhnlich so beschrieben, dass es in niedrigen Konzentrationen bakteriostatisch und in höheren bakterizid wirkt [Jones, 1997]. Sein antibakterieller Wirkmechanismus beruht dabei auf einer Schädigung der bakteriellen Zytoplasmamembran und dem anschließenden Austritt von Zytoplasmabestandteilen [Gilbert & Moore, 2005; Cieplik et al., 2019; Muehler et al., 2020]. Abbildung 2 zeigt schematisch den Wirkmechanismus von CHX sowie transmissionselektronenmikroskopische Aufnahmen nach der Behandlung mit CHX, die die Effekte von CHX auf die bakterielle Zytoplasmamembran darstellen. EFFEKTIVITÄT GEGENÜBER BAKTERIEN IN BIOFILMEN Obwohl es zahlreiche Studien gibt, die zeigen, dass eine Mundspülung mit CHX die Bakterienlast im Speichel [Marui et al., 2019] und damit die Bildung oraler Biofilme verringern kann [Auschill et al., 2005; Arweiler et al., 2006], ist die antibakterielle Wirksamkeit von CHX gegenüber reifen oralen Biofilmen eher eingeschränkt [Cieplik et al., 2019; Schwarz et al., 2021]. So konnte unsere Arbeitsgruppe kürzlich zeigen, dass eine einminütige CHXBehandlung bei Biofilmen, die aus humanem Speichel inokuliert und über 72 Stunden lang in vitro kultiviert wurden, eine Reduktion der koloniebildenden Einheiten (KBE) von weniger als 1 log 10 -Stufe erreichen konnte, was einer nur sehr geringen antibakteriellen Wirkung entspricht [Schwarz et al., 2021]. Diese eingeschränkte Wirksamkeit von CHX gegenüber oralen Biofilmen hat mehrere Ursachen: Zum einen kann die antibakterielle Wirkung von CHX durch Interaktion mit Speichel- oder Serumproteinen stark verringert werden [Abouassi et al., 2014]. Zum anderen wirkt die Biofilm-Matrix als Diffusionsbarriere für positiv geladene Moleküle wie CHX [Jakubovics et al., 2021]. Außerdem verändern Bakterien im Biofilm ihr Wachstumsverhalten und ihre Genexpression und werden dadurch weniger angreifbar und toleranter im Vergleich zu planktonischen Bakterien [Chambless et al., 2006]. Im oralen Biofilm führt daher die Behandlung mit CHX zu einem Konzentrationsgradienten mit hohen Konzentrationen an der Biofilmoberfläche und niedrigen in den unteren Schichten des Biofilms, was zu Arealen mit subinhibitorischen CHX-Konzentrationen führen kann [Jakubovics et al., 2021]. Diese eingeschränkte antibakterielle Wirkung von CHX in tieferen Schichten des PD DR. MED. DENT. FABIAN CIEPLIK Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Universitätsklinikum Regensburg, Franz-Josef-Strauß-Allee 11, 93053 Regensburg fabian.cieplik@ukr.de 2008–2013: Studium der Zahnheilkunde an der Universität Regensburg 2014: Promotion seit 2014: Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie am Universitätsklinikum Regensburg (Direktor: Prof. Dr. Wolfgang Buchalla) seit 2015: Aufbau und Leitung einer Arbeitsgruppe zur oralen Mikrobiologie 2017/2018: Diverse Auslandsaufenthalte am Department of Preventive Dentistry des Academisch Centrum Tandheelkunde Amsterdam (ACTA) seit 2019: Vorstandsmitglied (aktuell 2. Vorsitzender) der Arbeitsgemeinschaft für Grundlagenforschung (AfG) der DGZMK 2019: Habilitation und Erteilung der Lehrbefugnis seit 2019: Oberarzt seit 2021: Leitung der Patientenaufnahme der Poliklinik Forschungsschwerpunkte: Biofilm, antimikrobielle Verfahren, antimikrobielle Resistenzen sowie klinische Forschung zur Restaurativen Zahnerhaltungskunde, Parodontologie und Infektionsprophylaxe Foto: UKR ZAHNMEDIZIN | 43

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