Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11

zm112, Nr. 11, 1.6.2022, (1077) ausschließlich auf diese Weise vermehren, folgen dem lytischen Zyklus (Abbildung 2). Beim therapeutischen Einsatz profitiert man demnach von dem natürlichen Bestreben der Phagen, sich zu vervielfältigen. Bakteriophagen sind der einzige Wirkstoff, der sich am Infektionsherd „selbstständig“ vermehrt und zwar theoretisch so lange, bis keine Wirte mehr vorhanden sind (auto-dosing effect). Im Unterschied dazu findet bei temperenten Phagen (lysogener Zyklus) nach der Infektion ein Einbau der genetischen Information ins Genom der Bakterienzelle statt (= Prophage). Die Phagen-DNA wird mit der des Bakteriums vervielfältigt. Eine Lyse der Zelle findet nicht statt (Abbildung 2). Durch exogene Stressoren wie Antibiotika, UV-Licht, pH-Änderung, toxische Substanzen, kann es zur Freisetzung (Induktion) der Prophagen kommen. Die Phagen-DNA wird aus dem bakteriellen Genom ausgeschnitten und der lytische Zyklus weiterverfolgt. Temperente Phagen sind für die Phagentherapie aus zwei Gründen wenig geeignet. Zum einen können sie die Bakterien nicht effektiv zerstören, zum anderen besteht bei der Induktion die Gefahr, dass versehentlich unerwünschte genetische Informationen des Wirtes mit ausgeschnitten und nachfolgend auf andere Bakterien übertragen werden (Transduktion / Horizontaler Gentransfer) [Zinder, 1952]. Aber nicht nur replizierende Phagen haben die Fähigkeit Bakterien zu zerstören. Auch bestimmte Phagenenzyme stellen interessante „antibiotische“ Wirkstoffkandidaten dar. Die sogenannten Endolysine können Teile der bakteriellen Zellwand abbauen und diese damit destabilisieren. Sie werden am Ende des Produktionszyklus des Phagen gebildet und wirken von innen heraus [Mirski, 2019]. Besonders gut funktioniert dies aufgrund des einfacheren Zellwandaufbaus bei grampositiven Bakterien. Für den Einsatz von Endolysinen gegen gramnegative Bakterien müssen zusätzliche Peptide mit den Endolysinen fusioniert werden, damit die äußere Zellmembran ebenfalls destabilisiert werden kann [Zündorf, 2021]. PHAGEN FÜR DEN THERAPEUTISCHEN EINSATZ Für eine erfolgreiche Therapie mit Phagen ist einerseits die lytische Effizienz ausschlaggebend. Nur wenn die Vermehrung der Phagen das Wachstum des Wirtes übersteigt, tritt eine Reduzierung der Zellzahl ein. Die lytische Effizienz ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Einerseits von der Adsorption, andererseits von der Latenzzeit (Zeit, die ein Phage von der Infektion bis zur Lyse benötigt) und der Burst Size (Anzahl an neuen Phagen, die pro Replikationszyklus freigesetzt werden). Die lytische Effizienz ist aber ebenfalls abhängig vom DR. RER. NAT. IMKE KORF Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin (ITEM), Pharmazeutische Biotechnologie, Inhoffenstr. 7, 38124 Braunschweig imke.korf@item.fraunhofer.de 2005–2010: Biochemie-Studium an der Universität Greifswald 2015: Promotion am Friedrich LoefflerInstitut für Medizinische Mikrobiologie (Greifswald) 2016–2021: PostDoc an der DSMZ (Leibniz-Institut DSMZ – Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH) in Braunschweig seit 2021: Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer ITEM in Braunschweig Foto: privat M. SC. FINJA RIEPER Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin (ITEM), Pharmazeutische Biotechnologie, Inhoffenstr. 7, 38124 Braunschweig finja.rieper@item.fraunhofer.de 2016–2021: Biotechnologie-Studium an der TU Braunschweig 2021: Master am Institut für Mikrobiologie an der TU Braunschweig seit 2021: Promotion mit PhagenSchwerpunkt am Fraunhofer ITEM in Kooperation mit dem Institut für Mikrobiologie an der TU Braunschweig Foto: privat DR. RER. NAT. SARAH WIENECKE Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin (ITEM), Pharmazeutische Biotechnologie Inhoffenstr. 7, 38124 Braunschweig Foto: privat PROF. DR. RER. NAT. HOLGER ZIEHR Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin (ITEM), Bereichsleiter Pharmazeutische Biotechnologie Inhoffenstr. 7, 38124 Braunschweig Foto: Fraunhofer ITEM ZAHNMEDIZIN | 51

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