Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11

zm112, Nr. 11, 1.6.2022, (1078) verwendeten Wirt. Es ist nicht nur der Zustand der Kultur entscheidend, sondern auch die Verfügbarkeit von Nährstoffen, Temperatur und Sauerstoffeintrag. Zudem sollten die Phagen einen breiten Wirtsbereich aufweisen. Dies ist eine Voraussetzung dafür, dass später eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass ein Patientenisolat sensitiv gegenüber dem Phagen ist. Außerdem sollten Phagen keine Gene enthalten, die für Antibiotikaresistenzen, Lysogenie oder Virulenzfaktoren kodieren [Philispon, 2018]. Für eine individuelle Phagentherapie muss zuerst der richtige Phage gefunden werden. In der Diagnostik wird dafür ein Phagogramm, das klassisch auf der Double-Agar-Overlay-Methode beruht, durchgeführt (Abbildung 4). Dabei wird eine Petrischale mit zwei Schichten Agar befüllt, wobei die obere eine niedrigere Konzentration besitzt (Topagar). Der Topagar enthält zusätzlich Bakterienkultur des Patientenstamms und verschiedene Verdünnungen des auf Eignung zu testenden Phagen. Nach der Inkubation werden Plaques bei Sensitivität des Bakteriums gegenüber dem Phagen auf einer sonst durchgängig bewachsenen Agarplatte als „Löcher“ sichtbar. Die Morphologie dieser durchsichtigen Plaques sieht je nach PhageWirt-Kombination deutlich unterschiedlich aus (Abbildung 1c). PHAGEN UND ANTIBIOTIKA Gegenüber Antibiotika haben Phagen einige Vorteile. Phagen greifen spezifisch nur ein Zielbakterium an, so dass das normale Mikrobiom unangetastet bleibt. Sie sind gut verträglich und haben keinerlei ernste Nebenwirkungen. Doch die gleichzeitige Behandlung von Infektionen mit Phagen und Antibiotika gemeinsam kann weitere Vorteile bringen. Die reine Präsenz von Phagen kann beispielsweise die Sensitivität resistenter Bakterien wiederherstellen, so dass Antibiotika wieder wirksam werden [Gu Liu, 2020]. Eine synergistische Wirkung ist vielfach beschrieben. Wie bei dem Antibiotikaeinsatz kann es bei der Einzelanwendung von Phagen zu einer Resistenzentwicklung kommen. Um dies zu verhindern, werden Kombinationen verschiedener Phagen zusammengestellt. Während die Akkumulation von Antibiotikaresistenzen für die Bakterien einen Überlebensvorteil darstellt, führt die Akkumulation von Resistenzen gegen Phagen zu Viabilitäts- und Virulenzverlusten der Bakterien. Es gibt aber auch antagonistische Effekte, bei denen ein Phage einem zweiten Phagen entgegenwirkt. Eine Herausforderung für den therapeutischen Einsatz ist daher die Wahl der richtigen Kombination aus Phagen. ENTWICKLUNG DER THERAPIE IN DER WESTLICHEN WELT Obwohl die Phagentherapie seit Langem in Georgien eine etablierte Behandlungsmethode darstellt und vermehrt erfolgreiche Einzelfallbehandlungen publiziert werden [Fish, 2018; Mulzer, 2020; Onsea, 2020; Schooley, 2017], kann in Europa und in den USA bisher noch kein zugelassenes Phagen-basiertes Arzneimittel angewendet werden. Im Gegensatz zu Georgien sind in Europa und den USA für die Zulassung von Phagen als Arzneimittel klinische Studien notwendig, wobei der Nachweis der Sicherheit und der Wirksamkeit der Phagentherapie nach geltenden westlichen Standards der evidenzbasierten Medizin erbracht werden muss. In einer sehr überschaubaren Anzahl von klinischen Studien konnte zwar gezeigt werden, dass die Phagentherapie ohne beziehungsweise mit wenigen Nebenwirkungen verläuft, jedoch konnte die Wirksamkeit aus verschiedenen Gründen noch nicht eindeutig belegt werden. Entweder wurden die Studien schlicht nur als Phase I aufgesetzt, wobei die Phagen erstmalig an gesunden Probanden hinsichtlich Verträglichkeit und Sicherheit untersucht wurden [Wright, 2009; Rhoads, 2009], oder das Studiendesign ist von falschen Voraussetzungen ausgegangen. So wurde beispielsweise im Fall einer randomisierten, kontrollierten Studie im Nachhinein klar, dass unter dem Einsatz von E.-coli-Phagen gegen ETEC-Diarrhö gar nicht die zentralen Erreger der Erkrankung behandelt wurden [Sarker, 2016]. Bei der prominenten Studie PhagoBurn scheiterte die Rekrutierung von Studienteilnehmern, weil die Verbrennungswunden der Patienten nicht ausreichend Monoinfektionen (E. coli beziehungsweise P. aeruginosa) aufwiesen. Darüber hiAbb. 3: Herstellungssequenz bei der Produktion von Phagen-Wirkkomponenten im Projekt PhagoFlow, die sich in die Kultivierung der Phagen (USP) und deren Reinigung (DSP) gliedert Quelle: Rieper, Korf, Wienecke, Ziehr 52 | ZAHNMEDIZIN

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=