Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 12

zm112, Nr. 12, 16.6.2022, (1148) Beispiel bei Kürettage oder Enukleation [Römer et al., 2020]. Der unizystische Typ wird weiter in luminal, intraluminal und mural eingeteilt, wobei das murale Ameloblastom durch ein infiltratives Wachstum in die Zystenwand gekennzeichnet ist. Aufgrund einer niedrigeren Rezidivrate werden der luminale und der intraluminale Subtyp konservativ mittels Enukleation behandelt und der murale Typ wie das konventionelle Ameloblastom mit einem ausreichenden Sicherheitsabstand reseziert [Baumhoer, 2018]. Die peripheren/extraossären Ameloblastome [Krüger et al., 2011] wurden in der Klassifikation beibehalten [Schneider und Kämmerer, 2019]. Schmerzen und Sensibilitätsstörungen sind selten, weshalb diese Tumore aufgrund des langsamen Wachstums in seltenen Fällen auch groteske Ausmaße erreichen können. Typischerweise präsentieren sich Ameloblastome radiologisch als „seifenblasenartig“ oder „bienenwabenartig“ und weisen oft auch Wurzelresorptionen an benachbarten Zähnen auf [Castro et al., 2012]. Andere odontogene Tumore zeigen oft ähnliche radiologische Muster, weshalb differenzialdiagnostisch unter anderem auch immer an eine Keratozyste (ehemals keratozystisch odontogener Tumor [Thiem et al., 2019]) gedacht werden sollte [Römer et al., 2020]. Die adäquate Therapie der Ameloblastome wird seit vielen Jahren kontrovers diskutiert und reicht von der Enukleation bis hin zur radikalen Resektion mit Sicherheitsabstand [Kim et al., 2017]. Da Ameloblastome dazu tendieren, im Bereich der Spongiosa zu infiltrieren, ohne radiologisch sichtbare Resorptionszeichen aufzuzeigen, wird jedoch zu einer radikaleren Resektion (0,5 bis 2 cm) im gesund erscheinenden Knochen mit anschließender Rekonstruktion geraten [Schneider und Kämmerer, 2019]. Die Rezidivraten belaufen sich – insbesondere bei Enukleation/Resektion ohne ausreichenden Sicherheitsabstand – laut Literatur auf bis zu 90 Prozent [Schneider und Kämmerer, 2019], erreichen aber auch bei radikaler Resektion 5 bis 15 Prozent. Selbst fünf Jahre Rezidivfreiheit stellen keine Sicherheit dar und Ameloblastome können aufgrund des eher langsamen Wachstums auch nach dieser Zeit erneut in Erscheinung treten [Castro et al., 2012]. Dennoch sollte immer ein individuelles Therapiekonzept mit dem Patienten angestrebt werden, um große Rekonstruktionen – bei einem doch überwiegend jungen Patientenkollektiv – auf ein Minimum zu reduzieren [Parmar et al., 2016]. In sehr seltenen Fällen kann sich ein Ameloblastom zu einem malignen Tumor mit Metastasierungsfähigkeit transformieren. Dieses Verhalten wird jedoch mit einer Auftretenshäufigkeit von weniger als zwei Prozent beschrieben, wobei Metastasen hier vor allem in der Lunge zu finden sind [Yang et al., 2021]. Im vorliegenden Fall konnte das Ameloblastom mit 1,5 cm Sicherheitsabstand in sano entfernt werden. Prospektiv sollten weiterhin regelmäßige röntgenologische Verlaufskontrollen zum Ausschluss von Rezidiven erfolgen, da ein Rezidiv auch zehn Jahre oder später nach der Operation auftreten kann. \ FAZIT FÜR DIE PRAXIS \ Die Unterscheidung zwischen einer odontogenen Zyste und einem Ameloblastom ist bei unizystischem Auftreten klinisch häufig kompliziert. \ Bei unklaren Befunden empfiehlt sich eine Probebiopsie, da die Therapien der odontogenen Zyste und des Ameloblastoms vor allem im Hinblick auf den chirurgischen Sicherheitsabstand unterschiedlich sind. \ Bei Enukleation und Kürettage eines Ameloblastoms sind die Rezidivraten im Vergleich zur chirurgischen Exzision mit Sicherheitsabstand hoch. Entscheidet sich der Patient für eine solche Therapie, muss er darüber aufgeklärt werden. \ Maligne Transformationen von Ameloblastomen treten nur selten auf. Abb. 3: Präparat nach vollständiger Resektion Foto: Peer W. Kämmerer DR. DR. DANIEL G. E. THIEM Weiterbildungsassistent Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen, Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz Foto: privat ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. 18 | ZAHNMEDIZIN

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