Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 13

zm112, Nr. 13, 1.7.2022, (1281) spezifisches Diabetes-Mikrobiom [Polak und Shapira, 2018]. Vielmehr scheint die (systemische und lokale) Inflammation beide Erkrankungen in der Konsequenz zu verknüpfen [Preshaw et al., 2012]. In diesem Kontext muss man zunächst zugrunde legen, dass die Diabetes-assoziierte Hyperglykämie zur Steigerung der systemischen und lokalen Inflammation, zu oxidativem Stress und zur Apoptose führt [Brownlee, 2005]. Im Detail scheinen Interleukin 6 (IL-6), Tumornekrosefaktor alpha (TNF-α) und das durch diese induzierte akutePhase-Protein c-reaktives Protein (CRP) von Bedeutung. Diese Entzündungsmarker sind bei Diabetes [Hotamisligil, 2000; Rotter et al., 2003], insbesondere im Zusammenhang mit Adipositas [Dandona et al., 2004], wie auch bei Parodontitis relevant [Loos, 2005; Paraskevas et al., 2008]. Folglich scheint die systemische Inflammation, die mit Parodontalerkrankungen in Verbindung steht, einen Einfluss auf den Diabetes zu nehmen. Hierbei sind einige weitere Faktoren zu bedenken: Bei ausgeprägter parodontaler Inflammation kommt es zu einer transienten (also stetig im Zusammenhang mit alltäglichen Aktivitäten wie Nahrungsaufnahme oder Mundhygiene auftretenden) Bakteriämie. Potenziell pathogene Bakterien und deren Stoffwechselprodukte (zum Beispiel Lipopolysaccharide) führen hierbei zu einer verstärkten Exprimierung von Entzündungsbotenstoffen. Über subepitheliale Blutgefäße gelangen diese Entzündungsmediatoren aus dem parodontalen Gewebe in den Blutkreislauf und somit in alle Körperbereiche. Diese können in der Folge hemmend auf Insulinrezeptoren verschiedener Zellen einwirken, indem sie direkt an Insulinrezeptoren binden und damit die Aufnahme von Glukose in die Zellen negativ beeinflussen. Ein erhöhter Blutglukosespiegel und damit eine Verschlechterung des Diabetes ist die Folge [Lalla und Papapanou, 2011; Mealey und Ocampo, 2007]. Allerdings können systemische Auswirkungen von parodontaler Inflammation, zumindest beim Gesunden, kontrovers diskutiert werden [Schmalz et al., 2019], was die Bedeutung der systemischen Inflammation im Zusammenhang mit Parodontalerkrankungen etwas unklar erscheinen lässt. Des Weiteren wurde nachgewiesen, dass das Vorliegen eines Diabetes einen Einfluss auf die Inflammation im parodontalen Gewebe haben kann; so sind beispielsweise bei schlechter glykämischer Einstellung die Konzentrationen von Interleukin-1-beta (IL-1β) in der Sulkusflüssigkeit erhöht [Engebretson et al., 2004]. Weiterhin werden polymorphkernige Granulozyten (PMN) durch das Vorliegen eines Diabetes in ihrer Funktion beeinträchtigt, insbesondere in Bezug auf eine eingeschränkte Chemotaxis und Phagozytose [Alba-Loureiro et al., 2007]. In diesem Zusammenhang konnte gezeigt werden, dass die Chemotaxis der PMN bei Diabetikern mit schwerer Parodontitis verringert sowie die Apoptose der PMN bei diesen Patienten verstärkt gestört ist [Manouchehr-Pour et al., 1981; Graves et al., 2006]. Dies scheint zu verstärkter parodontaler Gewebezerstörung über die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies und die Freisetzung/ Aktivierung von Matrix-Metalloproteinasen (MMPs) zu führen [Preshaw et al., 2012]. KRITERIEN FÜR EINE DIABETESERKRANKUNG ENTSPRECHEND DER WELTGESUNDHEITSORGANISATION Einstufung Normal Abnorme Nüchternglukose (IFG) Gestörte Glukosetoleranz (IGT) Diabetes mellitus oGTT: oraler Glukosetoleranztest Tab. 2, Quelle: WHO [WHO, 2006] Nüchternblutzucker (venös/plasmareferenziert) < 110 mg/dl < 6,1 mmol/l ≥ 110 – < 126 mg/dl ≥ 6,1 – < 7,0 mmol/l < 126 mg/dl < 7,0 mmol/l ≥ 126 mg/dl ≥ 7,0 mmol/l Blutzucker im oGTT nach 2 Stunden venös < 140 mg/dl < 7,8 mmol/l < 140 mg/dl < 7,8 mmol/l ≥140 – < 200 mg/dl ≥ 7,8 – < 11,1 mmol/l ≥ 200 mg/dl ≥ 11,1 mmol/l Abb. 2: Parodontitis und Diabetes haben einen gemeinsamen Risikokomplex. Diese Faktoren wirken sich auf verschiedenen Ebenen aus. Quelle: Gerhard Schmalz Gemeinsame Risikofaktoren von Diabetes und Parodontitis ZAHNMEDIZIN | 39

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