Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 14

zm112, Nr. 14, 16.7.2022, (1425) kung reduziert oder vollständig aufgehoben sein. Infektionen von medianen Halszysten sind in der Regel auf Bakterien der oralen Keimflora zurückzuführen, mit dem Foramen caecum als Eintrittspforte [Organ und Organ, 2000]. Kommt es im Rahmen des entzündlichen Prozesses zur Ruptur der Zystenwand, besteht die Möglichkeit zur Ausbildung einer sekundären Fistel zur Oberfläche, die sich bei zehn Prozent der Patienten nachweisen lässt. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit zur Fistelbildung bei Kindern doppelt so hoch wie bei Erwachsenen [Thompson et al., 2016]. Sehr selten, aber entscheidend für die weiterführende Therapie, ist die histopathologische Abklärung der Malignität. Etwa ein Prozent der diagnostizierten medianen Halszysten zeigt neoplastische Veränderungen, wobei am häufigsten (je nach Quelle 85 bis 99 Prozent) papilläre Schilddrüsenkarzinome auftreten. Ebenso beschrieben wurden auch vereinzelte Fälle von plattenepithelialen, anaplastischen und onkozytären Karzinomen [Choi et al., 2013; Wei et al., 2015; Thompson et al., 2016]. Obwohl die Diagnose der medianen Halszyste klinisch gestellt wird, lässt sich die Diagnostik insbesondere bei unklaren Verdachtsfällen durch bildgebende Verfahren komplettieren. An erster Stelle steht der strahlenfreie Standard der Sonografie, wobei aber die Schnittbild-gebenden Verfahren der Computertomografie (CT) und der Magnetresonanztomografie (MRT) zur genauen Lokalisationsbestimmung und Ausdehnungsdiagnostik Anwendung finden. Ebenso kann mithilfe der Bildgebung Aufschluss über mögliche Komplikationen wie ödematöse Infiltrate bei Entzündungsreaktionen oder Fistelgängen gegeben werden. Die Therapie der Wahl ist die vollständige chirurgische Exstirpation unter Mitnahme des Ductus thyreoglossus und eines angrenzenden Gewebebalgs aus der Zungenbasis sowie des mittleren Drittels des Os hyoideum [Sistrunk, 1920; Arda et al., 2021]. Durch die vollständige Entfernung aller Residuen des Ductus thyreoglossus wird die Rezidivrate deutlich verringert. Patienten, bei denen eine reine Zystektomie durchgeführt wurde, weisen signifikant höhere Rezidivraten auf [Oomen et al., 2015]. Insgesamt wurde über Rezidivraten zwischen 7,3 und elf Prozent nach operativer Entfernung berichtet. Komplikationen im Rahmen der chirurgischen Therapie sind selten (1 Prozent) und gehen in der Regel nicht über allgemeine OP-Risiken hinaus [Thompson et al., 2016]. Hervorzuheben sind hier lokale Infektionen, Serom- und Hämatombildungen sowie Wundheilungsstörungen mit Wunddehiszenzen. ZUSAMMENFASSUNG Bei schmerzlosen, schluckverschieblichen Schwellungen im Halsbereich sollte differenzialdiagnostisch die mediane Halszyste in Betracht gezogen werden. Als angeborene Halsfehlbildung wird jene häufig bereits im Kindesalter auffällig, stellt allerdings auch im Patientenkollektiv der jungen Erwachsenen, besonders bei Frauen, keine Seltenheit dar. Die Diagnose kann klinisch gestellt werden, dennoch ist eine komplettierende Bildgebung zur genauen Lokalisationsdarstellung empfehlenswert. Therapie der Wahl ist die vollständige chirurgische Resektion der Zyste und des Ductus thyreoglossus mit einem Anteil des Os hyoideum – wie im vorliegenden Fall – zur deutlichen Reduktion der Rezidivrate. Beim Fehlen maligner Veränderungen in der pathologischen Befundsicherung ist keine weitere Nachsorge notwendig. \ FAZIT FÜR DIE PRAXIS \ Mediane Halszysten entstehen aus Residuen des Ductus thyreoglossus, der sich während der Embryonalentwicklung der Schilddrüse ausbildet. \ Bei medianen Halszysten handelt es sich um die häufigste angeborene Anomalie des Halses, die bei männlichen Patienten häufig schon im Kindesalter symptomatisch auffällig wird, bei Frauen dagegen häufig erst im zweiten Lebensjahrzehnt. \ Klinisch präsentiert sich die mediane Halszyste als weiche, schmerzlose und schluckverschiebliche Schwellung in der Mittellinie des Halses. \ Die häufigste Komplikation stellt die Zysteninfektion mit Bakterien aus der Mundflora dar, eine sekundäre Fistulierung zur Oberfläche des Halses nach Durchbruch durch die Zystenwand kann bei zehn Prozent der Patienten beobachtet werden. \ Therapeutischer Goldstandard ist die chirurgische Exstirpation der Zyste, wobei die gleichzeitige Entfernung des mittleren Drittels des Os hyoideum und des Ductus thyreoglossus bis zum Zungengrund die Rezidivrate signifikant reduziert. Abb. 4: Bild des resezierten Gewebeblocks aus Zystenbalg, Ductus und vorderem Os hyoideum DR. DR. DANIEL G. E. THIEM Weiterbildungsassistent Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz Foto: privat Foto: Peer W. Kämmerer ZAHNMEDIZIN | 79

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