Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15-16

zm112, Nr. 15-16, 16.8.2022, (1498) auf die benötigte Größe und Form getrimmt werden. Multiple Studien konnten bis dato einen pro-angiogenen Effekt der PRF insbesondere auf die weichgewebliche Regeneration darstellen, der mit einer optimierten Wundheilungsrate einhergeht [Ghanaati et al., 2018]. PRF kann bei der Behandlung von Extraktionsalveolen zur Alveolar Ridge Preservation eingesetzt werden (Abbildung 1). Hier führt es zu einer schnelleren Regeneration und Wundheilung und kann die postoperativen Komplikationsraten signifikant senken. Auch der Einsatz bei operativer Weisheitszahnentfernung ist in diesem Kontext beschrieben und geht mit einer geminderten postoperativen Komplikationsrate und weniger postoperativen Schmerzen einher [Choukroun et al., 2006; Hoaglin und Lines, 2013; He et al., 2017; Pan et al., 2019]. Weiterhin kommt PRF in der parodontalen Chirurgie bei Rezessionsdeckungen zum Einsatz [Lekovic et al., 2012], wo es die Regeneration parodontaler Defekte signifikant optimieren kann [Miron et al., 2017, Shah et al., 2015]. In der Implantologie findet PRF neben der Ridge Preservation und der Auflagerungsosteoplastik auch bei Sinusliftprozeduren Anwendung (Abbildung 2) [Damsaz et al., 2020]. Im Rahmen einer klinischen Studie konnte gezeigt werden, dass der Einsatz von PRF als alleiniges Füllmaterial zu einer suffizienten Implantatstabilität und Verknöcherung im Langzeit-Follow-up führen kann [Simonpieri et al., 2011]. Weite Verbreitung findet die Kombination von PRF und Knochenersatzmaterial zur intraoralen Knochenaugmentation / guided bone regeneration procedures (Abbildung 3). Eine eindeutige Evidenz muss jedoch – wie angesprochen – bei teils kontroversen Ergebnissen diskutiert werden [Liu et al., 2019; Pripatnanont et al., 2013; Yoon et al., 2014]. Eine mögliche Erklärung für die unterschiedlichen Ergebnisse der Studien könnte in der Diversität der analysierten Materialien und deren spezifischen biophysikalischen Eigenschaften sowie den unterschiedlichen Untersuchungszeitpunkten liegen. Insbesondere die frühe Scaffold/Gewebe-Reaktion scheint hier von herausragender Bedeutung, die initial eine stabile Osteointegration bedingt und eine subsequente Einheilung erreichen lässt [Khalil et al., 2011]. Auch in der „großen“ MKG- und plastischen Chirurgie wird PRF mannigfaltig verwendet, so zum Beispiel bei der operativen fazialen Narbenund Faltenkorrektur [Sclafani, 2011; Hassan et al., 2020]. Auch bei onkologischen Fragestellungen und insbesondere zur Therapie der Medikamenten-assoziierten Kiefernekrose kann die Anwendung von PRF indiziert sein [Ghanaati et al., 2018], hier zeigt sich jedoch ebenfalls bis dato eine widersprüchliche Evidenz zum Einfluss auf die weichgewebliche Abheilung und die Minderung des Auftretens von Rezidiven [Blatt et al., 2022]. Aktuell wird die bestehende Evidenz zur klinischen Indikation und Anwendung der PRF kritisch evaluiert und durch die Deutsche Gesellschaft für Implantologie (DGI) unter Schirmherrschaft der „Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften“ (AWMF) in einer konsensusbasierten S3-Leitlinie („Der Einsatz von Platelet Rich Fibrin in der dentalen Implantologie“) erarbeitet. Eine Veröffentlichung der Leitlinie ist für Ende 2022 geplant. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK Autologe Thrombozytenkonzentrate wie die PRF stellen ein wichtiges therapeutisches Additivum in der regenerativen und rekonstruktiven Kopf-Hals-Chirurgie dar. Durch ihr pro-angiogenes Potenzial haben sie insbesondere Einfluss auf eine weichgeweblich optimierte Regeneration mit belastbarer Evidenz für einen Nutzen bei der dento-alveolären Chirurgie, bei parodontal-chirurgischen und bei (prä)implantologischen Eingriffen. Weiterführende Studien sind jedoch unabdingbar, um den möglichen Einfluss autologer Thrombozytenkonzentrate auch auf Prozeduren der knöchernen Regeneration wissenschaftlich fundiert bewerten zu können. Insbesondere die Regeneration kombinierter hart- und weichgeweblicher Defekte stellt eine häufige klinische Herausforderung in der regenerativen oralen und fazialen Chirurgie dar [Turnbull et al., 2018]. Ist der Goldstandard des autologen Gewebetransfers zum Beispiel bei schwerer Co-Morbidität der Patienten nicht oder nur eingeschränkt möglich, kommen Ersatzmaterialien unterschiedlichen Ursprungs zum Einsatz [Tatullo et al., 2012]. Eine initiale sufPD DR. DR. HENDRIK NAUJOKAT, FEBOMFS Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, Arnold-Heller-Str. 3, 24105 Kiel hendrik.naujokat@uksh.de 2006-2012: Studium der Humanmedizin in Göttingen und Kiel 2010-2015: Studium der Zahnmedizin in Kiel seit 2012: Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, UKSH Kiel 2020: Habilitation und Erlangung der Venia legendi 2020: Ernennung zum Oberarzt Foto: privat ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. 48 | ZAHNMEDIZIN

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