Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm112, Nr. 18, 16.9.2022, (1704) Die genannten forschungsethischen Standards wurden 1931 noch durch die „Richtlinien für neuartige Heilbehandlungen und für die Vornahme wissenschaftlicher Versuche am Menschen“ ergänzt, die unter anderem eine Ausnutzung sozialer Notlagen ausschloss, um die Einwilligung von Versuchspersonen zu erreichen. Die in vielen Fällen tödlichen Humanexperimente in den rechtsfreien Räumen der nationalsozialistischen Konzentrationslager verhinderten die im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts erarbeiteten ethischen Normen jedoch nicht. Diese Versuche waren einer der Hauptanklagepunkte im 1946 bis 1947 geführten Nürnberger Ärzteprozess [Krischel, 2021; Roelke, 2017]. Mit den Urteilen dieses Prozesses wurden mit den „Nürnberger Prinzipien“ zehn Punkte konsentiert, die die Versuchssubjekte zukünftig besser schützen sollten. Gefordert wurden unter anderem „die freiwillige Teilnahme der Versuchspersonen und die vollständige Aufklärung über den Versuchsablauf [...], das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit der Risiken [...] sowie die die Möglichkeit für die Versuchsperson, den Versuch jederzeit zu beenden“ [Groß, 2014a, 50]. Der Kodex diente in der Folgezeit als eine wichtige Quelle für die im Jahr 1964 vom Weltärztebund auf den Weg gebrachte Deklaration von Helsinki. Die dort formulierten ethischen Grundsätze fungieren nach regelmäßigen Überarbeitungen bis heute als Referenzpunkt in forschungs- und bioethischen Fragen [Groß, 2014a; Krischel, 2021]. DAS NEGATIVBEISPIEL: DIE VIPEHOLM-STUDIE Auch in der Zahnmedizin gibt es ein wichtiges Beispiel für ethisch verwerfliche Forschung am Menschen. Dass die Vipeholm-Studie in den Jahren 1945 bis 1955 durchgeführt wurde, zeigt noch einmal, dass die alleinige Existenz von forschungsethischen Kodizes nicht ausreicht; sie müssen diskutiert und zur Aneignung von Haltungen eingesetzt werden. Was war passiert? 1945 gab die schwedische Regierung eine Studie über die Rolle von Ernährung (und Süßigkeiten) bei Zahnkaries in Auftrag. Finanziert wurde das Projekt mit einer halben Million Schwedischer Kronen (125.000 US-Dollar). Ein Teil des Geldes stammte aus öffentlichen Mitteln, ein anderer Teil wurde aus einer Forschungsstiftung der Schwedischen Zuckerindustrie sowie von SchokoladenAutoren Redaktion Reviewer Vorläufiges Review (Umfang, Sprache, Abstract) Redaktionelle Bearbeitung (z.B. Layout) Redaktionelle Entscheidung Peer Review („double blind“) 2. Runde Review Veröffentlichung Wiedereinreichung der überarbeiteten Fassung Veröffentlichungsgebühr (online Publikationen) Finale Überprüfung Einreichen eines Papers („online submission“) überarbeiten Ablehnung Ablehnung Annahme Schaubild zum Publikationsprozess (eigene Darstellung der Autoren nach abjournals, 2022) Quelle: Krischel, Nebe 14 | GESELLSCHAFT

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