Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm112, Nr. 18, 16.9.2022, (1744) behandlung zum Einsatz kommt, können diese Proteine aus dem Dentin des Wurzelkanals herausgelöst werden, wobei eine unterstützende Aktivierung der Spüllösung mittels Ultraschall deren Menge erhöht [Widbiller et al., 2017]. Nach Entnahme der Spüllösung aus dem Wurzelkanal kann durch Zentrifugation eine mit Wachstumsfaktoren angereicherte Lösung erzeugt werden [Widbiller et al., 2022]. In einer Analyse des organischen Dentinanteils wurden über 800 Proteine nachgewiesen, von denen 54 Signalmoleküle sind [Widbiller et al., 2019]. Untersuchungen in der Zellkultur konnten bestätigen, dass das Proteingemisch aus dem Dentin stark chemotaktisch auf Pulpastammzellen wirkt und deren Differenzierung und Mineralisation induziert [Widbiller et al., 2018]. Ein erster Arbeitsablauf für ein klinisches Vorgehen wurde wie folgt skizziert: Nach der Aufbereitung und Desinfektion des Wurzelkanals wird mehrmals mit EDTA gespült und dieses aktiviert, die Lösung wird aus dem Wurzelkanal entnommen und durch Zentrifugation konzentriert, dann mit einem Trägermaterial vermischt und in den Kanal zurückgegeben (Abbildung 6) [Widbiller et al., 2022]. AUSBLICK Im Bereich der Vitalerhaltung ist es vorstellbar, dass sich die Pulpotomie als valide Behandlungsmethode auch bei irreversibler Pulpitis etabliert. Die Revitalisierung wird als klinische Behandlungsmethode weiter ausgelotet. In Zukunft sollte vermehrt ein Augenmerk darauf gerichtet werden, wie verschiedene Verletzungsmuster nach Zahntrauma, die nicht nur das Endodont, sondern auch das Parodont, die Hertwig’sche Epithelscheide sowie die apikale Papille in unterschiedlicher Ausprägung betreffen, die Heilung nach Revitalisierung beeinflussen, um die Indikationsstellung möglicherweise enger fassen und die Prognose besser bewerten zu können. Fragestellungen, die sich nach abgeschlossener Revitalisierung ergeben, betreffen meist die langfristige Zahnerhaltung sowie die Möglichkeit der kieferorthopädischen Bewegung solcher vorgeschädigten Zähne. Das Prinzip der Revitalisierung wird mittlerweile auf Zähne mit abgeschlossenem Wurzelwachstum ausgeweitet: Untersuchungen zum Erzeugen einer Einblutung in den Wurzelkanal bei erwachsenen Patienten zeigen, dass nach ausreichender Desinfektion die biologische Wurzelkanalfüllung funktionieren kann, wobei Zwei-JahresNachuntersuchungen die Ausheilung periapikaler Läsionen nachweisen [Saoud et al., 2016]. Die in der Forschung bereits fortgeschrittenen Konzepte zum Cell Homing könnten bald in klinischen Pilotstudien zum Einsatz kommen. Somit ist zu erwarten, dass regenerative und reparative Verfahren zur Wiederherstellung oder Ausheilung von Gewebestrukturen in näherer Zukunft vermehrt Eingang ins endodontische Behandlungsspektrum finden werden. \ Abb. 6: Mögliches klinisches Vorgehen zur Pulparegeneration: a: Durch chemotaktische Faktoren im Trägermaterial können mesenchymale Stammzellen aus den periapikalen Geweben in den Wurzelkanal gelockt werden, ebenfalls vorhandene Wachstumsund Differenzierungsfaktoren induzieren die Zellproliferation und Differenzierung, wodurch – aufgrund des dentinspezifischen Proteingemischs – neues Pulpagewebe gebildet werden kann. b: Während der Behandlung wird nach Desinfektion des Wurzelkanalsystems die Kanalwand mittels EDTA konditioniert, nach Ultraschall-Aktivierung gehen Proteine aus dem Dentin in Lösung. Die Flüssigkeit wird aus dem Kanal entnommen, nach Zentrifugation wird die mit Wachstumsfaktoren angereicherte Lösung mit einem flüssigen Trägermaterial vermischt und wieder in den Wurzelkanal eingebracht, wo diese zum Gel erhärtet. Es folgen die Abdeckung mit einem biokompatiblem Material und der adhäsive Verschluss. Quelle: Matthias Widbiller a b PD DR. MED. DENT. MATTHIAS WIDBILLER Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Universitätsklinikum Regensburg Franz-Josef-Strauß-Allee 11, 93053 Regensburg Foto: UKR 54 | ZAHNMEDIZIN

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