Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20

zm112, Nr. 20, 16.10.2022, (1981) entspricht seine selbstbewusste Partnerin nicht mehr dem konservativen Bild, das er von seinem „Frauchen“ hat. Sie verliert den nachfolgenden Beziehungskampf und schließlich auch ihr Gesicht, filmisch ausgedrückt durch das Auftreten einer Fazialisparese. Um das Fortschreiten der vermeintlich odontogenen Lähmung zu verhindern, werden ihr in einer bedrückend langen Szene nach Infiltrationsanästhesie fachmännisch alle Zähne entfernt. Filmwissenschaftler sehen in der Protagonistin das Abbild des durch NS-Zeit und Krieg verstümmelten Deutschlands [Sanders-Brahms, 1981]. Mit gleichem Recht kann man die Extraktionsszene als erschreckenden Höhepunkt eines Emanzipationsdramas deuten; als dokumentarisches Zeitbild, in dem einer Frau im wahrsten Sinne des Wortes die Zähne gezogen werden und der männliche Zahnarzt als Erfüllungsgehilfe des Patriarchats agiert. IN DER DDR AGIERT DER ZAHNARZT IM KINDERFILM Im DDR-Kino fand die Zahnarzt-Rolle eine interessante Nische. Nicht weniger als drei Kinderfilme präsentieren eine solche Figur, mit „Nicki“ im Jahr 1979 sogar eine weibliche [Schenk, 1994]. Trotz der Vielzahl beschaffbarer Filme fällt das Fazit zu diesem Zeitabschnitt knapp aus. Der Zahnarzt besetzt fast durchgängig eine Nebenrolle, die vornehmlich der Erheiterung dient. Er erscheint so weit an den Rand der Handlung gedrängt, dass allgemeine Aussagen zum vorherrschenden Typus, zur Authentizität oder zu dramaturgischen Funktionen kaum möglich sind. Und es spricht für sich, dass bei realiter gut 20 Prozent approbierten Zahnärztinnen in West- und über 50 Prozent in Ostdeutschland [Groß, 2019] es lediglich eine weibliche Filmfigur gegeben hat. Wiedervereinigtes Deutschland (1990–2005) Nach der Zäsur von 1989/1990 kamen die Leinwandhelden kaum mehr auf Filmrollen daher, sondern traten in digitaler Form auf. Die DEFA als einzige Filmgesellschaft der DDR war wie diese selbst Geschichte. Auf die Konkurrenz von Videos und elektronischen Medien stellten sich die Filmtheater durch eine neue Architektur und ein globalisiertes Angebot ein [Trümper, 2006]. Die Digitalisierung begann auch die Zahnmedizin gravierend zu verändern [Davidowitz/Kotick, 2011]: Grundlagenforschung war bedeutender denn je, die Bedürfnisse der Patienten, der zahnmedizinische Fächerkanon wie auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wandelten sich erheblich. DER FERNSEHZAHNARZT WIRD ZUR KONKURRENZ Weiterhin traten Filmzahnärzte als Zugaben zu Gesellschaftssatiren, Familientragödien, Thrillern und sogar SPIELFILME MIT ZAHNARZT-MOTIV (1964–1989) Nr. 1–1 1–2 1–3 1–4 1–5 1–6 1–7 1–8 1–9 1–10 1–11 1–12 1–13 1–14 1–15 1–16 1–17 1–18 Tab. 1, (DEFA = Deutsche Film AG; *Zahnärztin) Titel Und sowas muss um acht ins Bett Alfons Zitterbacke (DEFA) Kinderarzt Dr. Fröhlich Wenn die prallen Möpse hüpfen Eva und Adam (DEFA) Nelken in Aspik (DEFA) Der kleine Zauberer (DEFA) Einer muß die Leiche sein (DEFA) Deutschland bleiche Mutter Nicki* (DEFA) Aber Doktor (DEFA) Der Keiler von Keilsberg (DEFA) Die Pinups und ein heißer Typ Gemischter Salat – French Dressing (verschollen) Frevel (verschollen) Die Olympiasiegerin Super Die lieben Luder (DEFA) Jahr 1965 1966 1972 1973 1973 1976 1977 1978 1979 1979 1980 1980 1981 1981 1981 1983 1983 1983 Regisseur Werner Jacobs Konrad Petzold Kurt Nachmann Ernst Hofbauer Horst E. Brandt Günter Reisch Erwin Stranka Iris Gusner H. Sanders-Brahms Günther Scholz Oldrich Lipský Peter Hill Yoel Silberg Erwin Kneihsl Peter Fleischmann Herbert Achternbusch Adolf Winkelmann Helmut Krätzig ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. DR. MED. DENT. ANDREAS PETZKE Zahnarztpraxis Josef-Schregel-Str. 31, 52349 Düren GESELLSCHAFT | 71

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