Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20

zeichnend: als Routine, die schwer von der Hand geht, als Teil eines Alltags, den man besser hinter sich lässt, ja sogar als Essenz eines erstarrten Lebens, aus dem es auszubrechen gilt. Besonders in „Lügen und andere Wahrheiten“ peinigen unzufriedene Patienten die bereits gestresste Zahnärztin soweit, dass es zu Zwischenfällen bei der Behandlung kommt: Sie rutscht mit dem Bohrer ab. Die Doktorin erleidet aufgrund des Malheurs einen Nervenzusammenbruch und muss mithilfe eines Rettungssanitäters beruhigt werden. Die Zahnmedizin scheint den Leinwandkollegen also kaum ein erfülltes Berufsleben zu bescheren. Abgesehen von diesem faden Beigeschmack gelingt es den Filmemachern immer wieder, die schmerz- und angstbelegte Komponente der zahnärztlichen Behandlung für dramaturgische Zwecke zu instrumentalisieren. DER BOHRER WIRD ZUM OBJEKT DER ANGST Wenig überraschend mutiert zumeist der Bohrer zum Objekt der Angst: Der Fachmann aus „Schneeflöckchen“ wird sogar von zwei in seine Praxis platzenden Gaunern mit dem eigenen Instrument gefoltert. Auch die einschüchternde Natur der Extraktion nutzt der Zahnarzt in „So viel Zeit“, um eine wirkmächtige Drohung an einen Kontrahenten zu zischen: „[Sonst] zieh ich dir jeden Zahn einzeln ohne Betäubung!“ Diese absichtliche Inszenierung der zahnärztlichen Behandlung als Moment des Schauderns scheint einer Tradition des US-amerikanischen Kinos entlehnt [Mariño, 2017], die zögernd Eingang in die deutsche Kinolandschaft gefunden hat. Dennoch wurden die fiktiven Kollegen, ihre Behandlungsräume und Instrumentarien in einem authentischen Licht dargestellt, stets mit Augenmerk auf Hygiene und Detailtreue. Die Therapien nehmen keinen großen Raum ein: In kurzen Sequenzen sehen die Zuschauer zwei Kariesbehandlungen, einmal wird ein prothetisches Vorgehen mittels Anpassung einer Krone angedeutet. In „Schneeflöckchen“ schließlich erscheint ein Patient, der mit einem zirkulären Lippen- und Wangenabhalter wartet – was auf eine bevorstehende professionelle Zahnreinigung hindeutet. Zusammengefasst: Die vergangenen 15 Jahre haben die Zelluloid-Zahnärzte erneut verwandelt. Der deutliche Rückgang an Produktionen ist – neben der Konkurrenz durch den SPIELFILME MIT ZAHNARZT-MOTIV (2006–2018) Nr. 3–1 3–2 3–3 3–4 Tab. 3, (*Zahnärztin) Titel Was bleibt Lügen und andere Wahrheiten* Schneeflöckchen So viel Zeit Jahr 2012 2014 2017 2018 Regisseur Hans-Christian Schmid Vanessa Jopp Adolfo J. Kolmerer, William James Philipp Kadelbach PROF. DR. MED. AXEL KARENBERG Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Uniklinik Köln und Medizinische Fakultät, Universität zu Köln Joseph-Stelzmann-Str. 20, 50931 Köln ajg02@uni-koeln.de zm112, Nr. 20, 16.10.2022, (1983) There is nosubstitutefor quality 8?A:A 6:$=< 0A<%< /A><A33A&) /9>$=+"A&<13>=#!*"A .17:<@<A&+ !?@!1?1<:#& 9&" ;(5171<:#& ':< "A' 26-, 19> 41?<'A<133 " 20,&/,$#% " .*$1#--&/',(#% " ,1( .*$201! &+/ &/'#' )#*$- GESELLSCHAFT | 73

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