Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21

zm112, Nr. 21, 1.11.2022, (2067) die Diagnosestellung bei älteren, multimorbiden oder dementen Menschen aufgrund der relativ gering ausgeprägten Symptomatik und der verminderten Möglichkeit zur Kommunikation oftmals erschwert ist. Darüber hinaus ergibt sich aufgrund der individuell geringen Fallzahlen für nicht spezialisierte (zahn-)ärztliche Behandler das Problem der fehlenden Routine in Diagnostik und Therapie. Gleichzeitig besteht aber die dringliche Indikation, unverzüglich eine Reposition durchzuführen, da sich ansonsten die manuelle Reposition durch jede zeitliche Verzögerung zunehmend schwieriger gestaltet [Huang et al., 2011]. Eine verzögerte Diagnosestellung kann schließlich zu intra- und periartikulären Folgeschäden führen, die eine chirurgische Therapie erfordern. DIE THERAPIE BASIERT HÄUFIG AUF ERFAHRUNGSWERTEN Im deutschsprachigen und im westeuropäischen Raum stehen die grundlegenden Therapieverfahren der Kiefergelenkluxation seit Längerem nicht mehr im engeren Fokus des wissenschaftlich-publikatorischen Interesses. Die Therapie orientiert sich häufig an tradierten chirurgischen Erfahrungswerten, die zwar auf etabliertem Lehrbuchwissen, jedoch nicht auf evidenzbasiertem Niveau publiziert sind. Veröffentlichungen jüngeren Datums zur Therapie der Kiefergelenkluxation stammen überwiegend aus dem nicht europäischen oder dem nicht angloamerikanischen Sprachraum und weisen zum Teil ein niedriges oder moderates Evidenzniveau auf. Im Sinne einer optimalen Patientenversorgung ist es daher das Ziel dieses S3-Leitlinien-Updates, ein möglichst standardisiertes und literaturbasiertes Vorgehen für die Kiefergelenkluxation darzustellen und mit den Empfehlungen einer jüngst publizierten internationalen Leitlinie der European Society of Temporomandibular Joint Surgeons (ESTMJS) abzugleichen [Neff et al., 2021]. METHODEN Die Literaturrecherche erfolgte unter Verwendung der Suchbegriffe „temporomandibular joint dislocation“ und „temporomandibular joint luxation“ in den Datenbanken Pubmed, Embase, Cochrane Library und Livivo. Als Einschlusskriterium galt die Verwendung der deutschen oder der englischen Sprache. Die initiale Literaturrecherche zur erstmaligen Erstellung der S3-Leitlinie im Jahr 2016 erzielte auf diese Weise 24.650 Treffer, von denen nach Screening auf klinische Relevanz 138 Artikel Einzug in die Leitlinie erhielten. Zum Literaturupdate der S3-Leitlinie (Stand 04/2022) ergaben sich auf analoge Suchweise weitere 608 Treffer, von denen insgesamt 106 neue Publikationen Einzug in die Leitlinie erhielten. Auf Basis der bestehenden S3-Leitlinie ergab sich so letzten Endes eine Gesamtanzahl von 244 Quellen. Die anschließende Graduierung der Evidenz orientierte sich an den Oxford-Kriterien von 2011 (Tabelle 1), die Graduierung der Empfehlungen und die Klassifikation der Konsensusstärke erfolgten gemäß AWMF-Regelwerk (Tabellen 2 und 3). Am 1.8.2022 wurde das Leitlinien-Update nach Freigabe durch die Vorstände der beEINTEILUNG DER EVIDENZNIVEAUS IN ANLEHNUNG AN DIE OXFORD-KRITERIEN, STAND 2011 LoE 1 2 3 4 5 Tab. 1, Quelle: Centre for Evidence-Based Medicine, Oxford University Studientyp Systematisches Review von randomisierten kontrollierten Studien (RCT) Randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) Nicht-randomisierte kontrollierte Kohortenstudien / Follow-up-Studien Fallserien, Fall-Kontroll-Studien, historisch kontrollierte Studien Fallreporte, nicht systematische Sekundärliteratur, Expertenmeinung, Studien, in denen nicht Menschen untersucht werden (etwa Tierversuch, Kadaverstudie), Konsenspapier GRADUIERUNG VON EMPFEHLUNGEN GEMÄß AWMF-REGELWERK Empfehlungsgrad A B 0 Tab. 2, Quelle: AWMF Beschreibung Starke Empfehlung Empfehlung Offene Empfehlung Syntax soll / soll nicht sollte / sollte nicht kann erwogen werden / kann verzichtet werden KLASSIFIKATION DER KONSENSUSSTÄRKE GEMÄß AWMF-REGELWERK Konsensusstärke Starker Konsens Konsens Mehrheitliche Zustimmung Keine mehrheitliche Zustimmung Tab. 3, Quelle: AWMF Zustimmung Zustimmung von > 95 Prozent der Teilnehmenden Zustimmung von > 75 – 95 Prozent der Teilnehmenden Zustimmung von > 50 – 75 Prozent der Teilnehmenden Zustimmung von < 50 Prozent der Teilnehmenden TITEL | 45

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=