Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 23-24

zm112, Nr. 23-24, 1.12.2022, (2258) Ferner sank auch die Anzahl der in der Gruppenprophylaxe engagierten Teams aus den zahnärztlichen Praxen um etwa ein Drittel. Gleichzeitig kam es in den Kitas dazu, dass die bereits eingeführten täglichen Mundhygienemaßnahmen – sowohl aufgrund einer befürchteten Infektionsverbreitung als auch wegen einer erheblichen Belastung des Erzieherpersonals – nicht mehr durchgeführt wurden. Und der durch die Pandemie forcierte Fachkräftemangel in den Kitas führt aktuell immer noch dazu, dass die täglichen Mundhygienemaßnahmen nicht wieder aufgenommen werden. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Durchführung von Mundhygiene im Rahmen der Gesundheitsförderung gibt es nur in wenigen Bundesländern. Über Maßnahmen und Aktivitäten der Gruppenprophylaxeteams während des Lockdowns in der Pandemie wurde bereits berichtet [DAJ, 2022]. Flankiert und gestützt werden diese (deutschen) Erkenntnisse durch die internationalen Entwicklungen: So hat die Weltgesundheitsorganisation WHO hat im Jahr 2022 erstmals eine „Globale Strategie zur Mundgesundheit (Global Strategy on Oral Health) verabschiedet. Ziel ist die Entwicklung von nationalen Aktionsplänen zur Verbesserung der Mundgesundheit. Die Mitgliedstaaten sind aufgerufen, Konzepte, Strategien und Projekte für die Mundgesundheit zu erarbeiten und Präventionsmaßnahmen auch in den Lebenswelten der Menschen zu berücksichtigen [WHO, 2021]. Auch die Konzepte des Weltzahnärzteverbands FDI (Vision 2030) gehen in die gleiche Richtung. Sie zeigen auf, dass sowohl die Verhaltens- als auch die Verhältnisprävention einer stärkeren Berücksichtigung bedürfen [FDI]. Experten kritisieren die jahrzehntelange separate Betrachtung von Mundgesundheit und allgemeiner Gesundheit auf wissenschaftlicher, klinischer und politischer Ebene. Das Resultat ist die politisch geringe Aufmerksamkeit für die globale Mundgesundheit. So herrscht unter anderem in der zahnmedizinischen Forschung und im Bereich Dental Public Health erheblicher Nachholbedarf [Benzian und Listl, 2021]. Auch die Bundeszahnärztekammer hat sich im Jahr 2019 mit einer im britischen Fachjournal „The Lancet“ erschienenen Artikelreihe zur globalen Mundgesundheit mit der Problematik auseinandergesetzt [Oesterreich, 2019]. WIE DIE MUNDGESUNDHEIT VERBESSERT WERDEN KANN \ Die im Jahr 2021 publizierten Mundgesundheitsziele für Deutschland weisen verhältnispräventive Zielsetzungen unter Einbezug der Gruppenprophylaxe auf [Ziller et al., 2021]. Der gemeinsame Risikofaktorenansatz (Common Risk Factor Approach) zeigt zahlreiche Schnittstellen für gesundheitsförderliche und präventive Botschaften in Interaktion mit anderen Gesundheitsorganisationen und Gesundheitsberufen auf [Heilmann et al., 2017]. Sowohl internationale Entwicklungen und nationale Initiativen als auch Forschungserkenntnisse geben also zahlreiche Hinweise darauf, dass eine Verstärkung von Public-HealthMaßnahmen und eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zur Verbesserung der Mundgesundheit notwendig sind. \ Die Pandemie hat eindrücklich offenbart, welche Bedeutung Public-Health-Maßnahmen für die Gesundheit der Bevölkerung einnehmen. Leider sind die dafür notwendigen Strukturen nicht adäquat aufgestellt. Zwischenzeitlich hat aber die Gesundheitspolitik mit dem „Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD)“ reagiert. Der Pakt sieht neben Personal- und Ausrüstungsmaßnahmen auch die Verbesserung vorhandener Datengrundlagen mit Mitteln der Digitalisierung vor. Das sind auch für die Zahnmedizin in Deutschland gute Ansätze, um bisherige Desiderate aufzuarbeiten. \ Die DAJ und der Bundesverband der Zahnärztinnen und Zahnärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BZÖG) haben im Kontext mit dem Pakt ÖGD eine Unterstützung für die qualitative Verbesserung der Mundgesundheitsberichtserstattung eingefordert. Sie argumentieren, dass eine flächendeckende und hochwertige Erfassung der Mundgesundheit von Kindern und Jugendlichen die dringend benötigten Datengrundlagen zur Ausgestaltung der Gesundheitsförderung liefere. Das diene auch einer zeitnahen Erfassung von sekundären Krankheitslasten infolge der Pandemie. Es gilt, die Gruppenprophylaxe zukunftsfest aufzustellen. Foto: cherryandbees – stock.adobe.com 16 | TITEL

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