Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 23-24

zm112, Nr. 23-24, 1.12.2022, (2280) Deutschland für sie arbeiten – also circa zehn Prozent.“ Auffällig ist dabei, dass fast ausschließlich Kleintierpraxen erworben werden. Am Nutztierbereich haben die Kapitalinvestoren bislang wenig Interesse. Dazu sagte IVC Evidensia auf unsere Anfrage: „Der überwiegende Anteil der Tierarztpraxen und Tierkliniken in Deutschland ist auf die Behandlung von Kleintieren fokussiert. Dementsprechend sind die Standorte, welche Teil von IVC Evidensia sind, vornehmlich im Kleintierbereich tätig. Einige unserer Standorte bieten aber auch tiermedizinische Leistungen für Pferde und den Nutztierbereich an.“ AniCura versteht sich ausschließlich als Anbieter von medizinischen Leistungen für Haustiere. „Wir bieten keine tierärztlichen Dienstleistungen für Großtiere oder Nutztiere an“, heißt es aus dem Unternehmen. DAS FREMDBESITZVERBOT ERSCHWERT AUFKÄUFE Dass in Deutschland nicht wie beispielsweise in Skandinavien innerhalb von fünf Jahren fast 50 Prozent der Praxen von Investoren aufgekauft worden sind, liegt nach Färbers Einschätzung an den rechtlichen Regelungen, die in Deutschland für den Berufsstand gelten. In circa einem Drittel der Bundesländer verhindert beispielsweise ein Fremdbesitzverbot, dass Kapitalinvestoren Praxen und Kliniken betreiben dürfen. Auch der strenge Mutterschutz, laut dem angestellte Tierärztinnen mit Feststellung einer Schwangerschaft bis zur Geburt nicht mehr praktisch arbeiten dürfen, unterscheidet Deutschland von anderen, insbesondere Nicht-EU-Ländern. Da hierzulande zwischen 80 und 90 Prozent Frauen Tiermedizin an der Uni abschließen, ist auch das eine wichtige Variable für Betreiber. Eine Rolle spielt darüber hinaus die jüngste Novellierung der Gebührenordnung für Tierärzte (GOT), nach der auch Praxen und Kliniken, die von juristischen Personen wie Kapitalinvestoren oder Konzernen betrieben werden, ab November 2022 an die GOT gebunden sind. Zudem gibt es in Deutschland eine Arzneimittelpreisverordnung, die verhindert, dass rabattiert eingekaufte Medikamente ohne Aufschlag an die Tierhalter und -halterinnen abgeben werden dürfen. Deshalb sind zum Beispiel Impftage zu Sonderpreisen – eine beliebte Aktion in anderen Ländern – hier nicht möglich. Ein weiterer zentraler Grund, der die Entwicklung verlangsamt, sind laut Färber – bisher noch – Vorbehalte innerhalb des Berufsstands gegenüber den wirtschaftlichen Interessen der sogenannten Corporates. In der deutschen Tierärzteschaft scheiden sich die Geister an der Frage, wie es zu bewerten ist, dass Kapitalinvestoren und Konzerne deutsche Praxen und Kliniken übernehmen. Färber sieht im Wesentlichen drei Meinungslager. „Der Großteil der Tierärztinnen und Tierärzte betrachtet die Entwicklung eher passiv, ohne eine bestimmte Seite einzunehmen“, sagt er. Dann gebe es die Befürworter. „Der Hintergrund hier ist, dass es in der Tiermedizin ein nachlassendes Interesse an der Selbstständigkeit gibt. Wir stellen fest, dass die junge Generation sich fast komplett anstellen lassen möchte“, erläutert Färber. „Dabei spielt auch der Umstand eine Rolle, dass Tierärzte und Tierärztinnen das unternehmerische Risiko sowie die durch Notdienste in der Nacht und am Wochenende teils langen Arbeitszeiten scheuen. Die Corporates bieten geregelte Arbeitszeiten, gute Bezahlung und Fortbildungen, um Fachkräfte zu binden.“ Das dritte Meinungslager sehe die Entwicklung sehr kritisch und befürchte eine zunehmende Monopolbildung durch die Investoren. „Hier gibt es vor allen Dingen die Sorge, dass die Unabhängigkeit des Berufsstands gefährdet ist. Man geht davon aus, dass nicht mehr medizinische, Vom Tierarzt wird heute erwartet, dass er sofort eine komplette Diagnose und Therapie liefert. Eine kleine Praxis kann sich die dafür notwendigen Geräte aber oft nicht leisten. Foto: Robert Poorten - stock.adobe.com 38 | POLITIK

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