Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 5

zm113 Nr. 05, 01.03.2023, (313) ZAHNMEDIZIN | 27 bung und die Antikörper gegen Progesteronrezeptor eine kräftige nukleäre Anfärbung auf. Weiterhin zeigten die Präparate eine kräftige, durchgängige Anfärbung mit Antikörpern gegen SSTR2A. In Zusammenschau dieser Befunde mit dem morphologischen Bild und dem Nachweis eines einzelnen Psammomkörperchens (Verkalkung) bei fehlendem Nachweis von Mitosefiguren ließ sich die Diagnose eines meningothelialen Meningeoms ZNS Grad 1 nach WHO-Klassifikation stellen. Unter Einbeziehung der Kollegen der Neurochirurgie erfolgte daraufhin die Vorstellung des Patienten im interdisziplinären neuroonkologischen Tumorboard mit Empfehlung zur Resektion des Tumors. Ein präoperativ ergänzend durchgeführtes MRT zeigte ein sich diffus intraossär ausbreitendes Meningeom ausgehend von Os zygomaticum / Os sphenoidale / Os frontale mit Einbeziehung von Orbitadach und lateraler Orbitawand unter Verdrängung des rechten Frontallappens, des rechten Temporallappens und der Pelottierung des rechten Orbitatrichters mit Kompression des Nervus opticus. Neben demintraossärenEn-plaque-Wachstum zeigte sich ein nur geringes intradurales rasenartiges Wachstum frontal und temporal (Abbildung 5). Der Tumor konnte infolgedessen neurochirurgisch reseziert werden (Abbildungen 6 und 7), der Patient wurde nach neuropathologischer Diagnosesicherung eines meningothelialen Meningeoms ZNS WHO-Grad 1 mit Infiltration der Dura und des Knochens nach regelrechtem postoperativem Verlauf in die ambulante Nachbetreuung entlassen. Gemäß Tumorboardbeschluss wird eine jährliche klinische Nachsorge nach einem Ausgangs-MRT nach drei Monaten erfolgen. Diskussion Obwohl in der Zahnmedizin wie in der MKG-Chirurgie eine große Bandbreite an unterschiedlichen Tumorerkrankungen diagnostiziert und therapiert wird, stellen Tumorerkrankungen des zentralen Nervensystems in unserem Fachgebiet eine Rarität dar. Der dargestellte Fall zeigt allerdings eindrücklich, dass auch diese Erkrankungen differenzialdiagnostisch von Bedeutung sein können. Bei Tumoren des zentralen Nervensystems handelt es sich um eine sehr heterogene Gruppe verschiedener Tumorentitäten, die anhand der WHOKlassifikation — basierend auf ihren histologischen, molekularen und immunhistochemischen Eigenschaften — in zwölf Untergruppen eingeteilt werden können: Gliome, ependymale Tumoren, Choroidalplexustumoren, embryonale Tumoren, Pinealistumoren, Tumoren der Hirn- und Spinalnerven, Meningeome, mesenchymale nicht meningotheliale Tumoren, hämatolymphoide Tumore, Keimzelltumore, Tumore der Sella-Region und ZNS-Metastasen. Aktuell befindet sich die WHO-Klassifikation in der fünften Auflage aus dem Jahr 2021, wobei diese nun maßgeblich durch neue Erkenntnisse der Tumorgenomik geprägt ist. Dementsprechend werden auch Mutationen und Genfusionen für die Einteilung in Betracht gezogen [Louis et al., 2021]. Zusätzlich besteht weiterhin eine Graduierung im Rahmen der WHO-Klassifikation, die vor allem im klinischen Alltag große Relevanz aufweist. Nach der alten Klassifikation wurden vier Grade der Hirntumore unterschieden, wobei sich darin vor allemdie prognostische Bedeutung widerspiegelt. Die aktuelle Klassifikation verwendet nun statt römischer Ziffern arabische und die Graduierung von Neoplasien findet innerhalb ihres Typs und nicht mehr übergreifend über verschiedene Entitäten statt [Louis et al., 2021]. Meningeome sind meist gutartige und langsam wachsende Tumore, ausgehend von den Deckzellen der Arachnoidea, wodurch sie an jeder intrakraniellen oder spinalen und von Dura bedeckter Oberfläche auftreten können. In seltenen Fällen können sie außerdem intraventrikulär auftreten [Buerki et al., 2018]. Es handelt sich bei Meningeomen um den häufigsten primär intrakraniellen Tumor mit einer altersabhängigen Inzidenz, die mit dem Lebensalter zunimmt und einen Häufigkeitsgipfel im 50. Lebensjahr aufweist [Ostrom et al., 2022]. Gleichzeitig ist die Prävalenz in der afro-amerikanischen Bevölkerung im Vergleich zu Kaukasiern höher. Frauen sind außerdem häufiger betroffen als Männer in einem Verhältnis von 3:2 [Ostrom et al., 2022; Ostrom et al., 2019]. Bisher wurde für die Mehrheit der Fälle keine kausale Ursache identifiziert, jedoch stellt die ionisierende Strahlung, beispielsweise im Rahmen der radiologischen zahnärztlichen Diagnostik, einen erheblichen Risikofaktor dar (sechs- bis zehnfach erhöhtes relatives Risiko), ohne allerdings eine Dosis-Wirkungs-Beziehung aufzuweisen [Wiemels et al., 2010]. Die Latenzzeit ist dabei sehr variabel. Weiterhin Daniel Stephan Klinik und Poliklinik für MKG-Chirurgie und Plastische Operationen, Universitätsmedizin der Johannes GutenbergUniversität Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz Foto: Universitätsklinikum Mainz Univ.-Prof. Dr. Florian Ringel, Direktor Neurochirurgische Klinik und Poliklinik, Universitätsmedizin Mainz Langenbeckstr. 1, 55131 Mainz Foto: Universitätsmedizin Mainz Univ.-Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Peer W. Kämmerer, MA, FEBOMFS Leitender Oberarzt / Stellvertr. Klinikdirektor Klinik und Poliklinik für MKG-Chirurgie und Plastische Operationen, Universitätsmedizin der Johannes GutenbergUniversität Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz peer.kaemmerer@unimedizin-mainz.de Foto: Kämmerer

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=