Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 5

zm113 Nr. 05, 01.03.2023, (326) führenden Wundärzte seiner Zeit (Abbildung 3). Geboren als Sohn eines Gerichtsschreibers in Hilden bei Düsseldorf, absolvierte er nach seiner Schulzeit eine Ausbildung beim Neusser Bader und Wundarzt Johannes Dümgens. Nach der Gesellenzeit und 14-jähriger Wanderschaft kaufte sich Fabry im Jahr 1599 in die Zunft der Barbiere in Köln ein. In der Folgezeit war er als Stadtchirurg an den unterschiedlichsten Standorten in der Schweiz tätig [Groß/Groß, 2010, 114-115]. Den Schlüssel zur Chirurgie sah Fabry in den detaillierten Kenntnissen der Anatomie. So empfiehlt er in seinem Buch „Von der Fürtrefflichkeit und Nutz der Anatomy“ doch folgende Therapie bei Zahnschmerzen: „Zuoberst [der] ersten Höle des Ohres, von welcher jetz gehandelt wird, ist ein Ast oder Zweig der Herzader des Halses, der lauffe zu den Zähnen. Nun geschicht es offt, daß durch solche Arteriam oder Herzader, eine dünne und scharpffe Materia zu den Zähnen fleust; die erwecket einen […] großen wütenden und klopffenden Schmetzen, […], der sich auch wol und in alle Zähn außstreckt, daß auch endlich der Kranke nicht unterscheiden kann, an welchen Zahn der Schad seye“ [Fabricius Hildanus, 1936, 86]. Wie zur damaligen Zeit üblich sollte dieser „Fluss“ mittels Kauterisation durch ein glühendes Eisen unterbrochen werden [Hoffmann-Axthelm, 1985, 205]. Neben seinen umfangreichen anatomischen Kenntnissen ist auch Fabrys rege Publikationstätigkeit für einen Chirurgen seiner Zeit untypisch. So veröffentlichte er Bände mit Fallberichten, chirurgische Lehrbücher und religiöse Schriften in deutscher und lateinischer Sprache. Im Bereich der Zahnmedizin sind es vor allem die minutiös festgehaltenen Beobachtungen und Beschreibungen aus den 38. „Observationes“, die posthum im Jahr 1652 veröffentlicht ebenfalls in deutscher Übersetzung vorliegen. Sie eröffnen nicht nur einen tiefen Einblick in die von Fabry durchgeführten Operations- und Behandlungsmethoden, sondern auch in das zahnheilkundliche Wissen der Zeit. Tumore im Mundbereich exstirpierte Fabry wenn möglich und um den potenziellen Zusammenhang von Kopfschmerz und kranken Zähnen wusste er ebenfalls. Zur Behandlung von Zahnfisteln empfahl er die Extraktion kariöser Zähne und abgefaulter Zahnwurzeln [Hoffmann-Axthelm, 1985, 202; Naef, 1994, 90]. Mit der „Perle der Scharlatane" wollten die „Chirurgiens" nichts zu tun haben Einen deutlichen Professionalisierungsschub gab es mit dem Aufkommen der Dentisten in Frankreich, als deren Nestor Pierre Fauchard (1687—1761) gilt [Krischel/Nebe, 2022, 656-661]. Nach einer praktischen chirurgischen Ausbildung in der französischen Marine und „einigen Studienjahren an der Universität von Angers“ [Barnett, 2017, 74] ließ sich Fauchard 1719 in Paris nieder. Er prägte die Berufsbezeichnung des chirurgien dentiste und veröffentlichte unter diesem Titel 1728 ein zweibändiges Lehrbuch – nicht in lateinischer, sondern in französischer Sprache. Mit Fauchard traten neben die Zahnextraktion verstärkt Maßnahmen der Zahnerhaltung wie das Plombieren mit Blei, Zinn, oder Gold [Groß, 2005, 292-293]. Er begann Zähne mit Zahnspangen aus Gold oder Seide zu begradigen und bot seinen Patienten Prothesen aus Knochen oder Elfenbein an [Barnett, 2017, 76]. Besonders deutlich wird Fauchards neuer Ansatz einer empirisch orientierten, aber gleichzeitig bürgerlich-höflichen Zahnheilkunde im Kontrast zu einem seiner bekanntesten Konkurrenten in Paris, dem Zahnreißer Jean Thomas, genannt „Le Grand Thomas“. Der ausgebildete Chirurg übte seinen Beruf als Zahnreißer öffentlich und öffentlichkeitswirksam aus, was ihm auch den Beinamen „Perle der Scharlatane“ einbrachte [Barnett, 2017, 72-73]. Genau von diesem Bild der Zahnbehandler wollten sich Fouchard und seine Nachfolger abgrenzen, durch ein breiteres Behandlungsspektrum, aber auch durch ein privateres Behandlungssetting und einenHabitus, der ihnenAkzeptanz in bürgerlichen und sogar adeligen Kreisen verschaffen und so den sozialen Aufstieg der Profession ermöglichen sollte [King, 2017]. Der Gründer des Zahnarztberufs Etwa eine Generation nach Fouchard in Frankreich spielte Philipp Pfaff(1713—1766) in Deutschland eine vergleichbare Rolle (Abbildung 4). Geboren als Sohn eines Wundarztes und Dozenten an der Berliner Charité – 1710 als Pesthaus gegründet und 1727 unter Friedrich Wilhelm I. zu einem Militärlazarett mit Ausbildungsstätte ausgebaut [Charité – Universitätsmedizin Berlin, 2023] –, absolvierte Pfaff dort eine chirurgische Ausbildung und ließ sich nach dem Militärdienst in Berlin als Wundarzt nieder [Groß, 2018, 1942]. Spätestens ab den 1750er-Jahren verlegte er sich ganz auf die Zahnheilkunde und gab 1756 ein deutschsprachiges Lehrbuch unter dem Titel „Abhandlung von den Zähnen des Abb. 4: Büste des Philipp Pfaff in der Charité, Institut für ZahnMund- und Kieferheilkunde Foto: Wikimedia Commons 40 | GESELLSCHAFT

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=