Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 5

zm113 Nr. 05, 01.03.2023, (331) GESELLSCHAFT | 45 kret ein Produkt – inklusive Rabatt für seine ZuschauerInnen. „Jeden Abend, nachdem meine Frau und ich uns gute Nacht gesagt haben, greife ich nach einer Rolle Klebeband in der Schublade meines Nachttischs. Ich entspanne meine Lippen, halte sie geschlossen und überklebe sie, bevor ich das Licht ausschalte“, schrieb Burhenne schon Jahre früher auf askthedentist.com. Das klinge für manchen vielleicht bizarr, gibt er zu, „aber die gesundheitlichen Vorteile der Nasenatmung sind unbestreitbar". Nachts durch den Mund zu atmen, sei keine Lappalie, betont er. „Es verringert nicht nur die Schlafqualität, sondern stört auch das Gleichgewicht Ihres oralen Mikrobioms und macht Sie anfälliger für Karies. Tatsächlich halte ich Mundatmung für die häufigste Ursache von Karies – noch vor schlechter Ernährung oder schlechter Zahnhygiene.“ Burhenne ist mit seiner Einschätzung in guter Gesellschaft: Angesichts des großen öffentlichen Interesses positionierte sich der Konzern ColgatePalmolive Anfang 2023 mit einer Verbraucherinformation als Befürworter der Technik: Das Mouth Taping habe „Vorteile sowohl für Ihre Mundgesundheit als auch für die allgemeine Gesundheit“, heißt es darin. Ganz konkret nennt Colgate unter anderem ein reduziertes Risiko für Karies und Zahnfleischerkrankungen. Geradezu euphorisch äußern sich auch verschiedene US-Zahnmedizin- und -Medizinportale, nicht erst seit dem neuesten Hype. In dem US-Magazin RDH für Dentalhygienikerinnen gab eine Fachautorin bereits 2021 ihrer Kollegenschaft Tipps zur Weitergabe an PatientInnen, die sich nachts besser mit Papierklebeband den Mund verschließen sollten. ... dann klebt er sich den Mund zu Wichtig zu wissen: Diese Frau ist auch als Trainerin der sogenannten ButeykoMethode tätig, die häufig mit Mouth Taping assoziiert wird. Das alternativmedizinische Verfahren zur Behandlung von obstruktiven Atemwegserkrankungen wie Asthma bronchiale stammt aus der Sowjetunion und ist nach ihrem Begründer, dem Arzt und Wissenschaftler Konstantin Pawlowitsch Buteiko benannt, der die Technik seit den 1950er-Jahren entwickelte. Trotz großer Verbreitung ist die Wirksamkeit umstritten. Ein Cochrane-Review [Santino, 2020] konnte nur sehr wenige qualitativ gute Studien zur Beurteilung der Therapie bei Asthma auswerten. Weitere Studien seien notwendig, hieß es damals. Die American Dental Association hat die Methode bis jetzt noch nicht kommentiert, wohl aber kanadische KollegInnen. Etwa Dr. Izchak Barzilay, Zahnarzt und stellvertretender Vorstandschef des Royal College of Dentists of Canada in Toronto. Er rät dringend, Mouth Taping nur unter sorgfältiger Anleitung eines Zahnarztes oder Schlafspezialisten durchzuführen. Schließlich gebe es viele Ursachen, warum jemand nachts durch den Mund atmet. Sie reichten von einer einfachen Angewohnheit bis hin zu ernsteren Problemen wie einer verkrümmten Nasenscheidewand, Nasenpolypen, Nebenhöhlenreizungen oder vergrößerten Mandeln, ergänzt Dr. Lisa Bentley, Zahnärztin aus Ontario und Präsidentin der dortigen Zahnärztekammer gegenüber den Branchendienst www.healthing.ca. All dies könne die Atmung durch die Nase beeinträchtigen und erfordern, dass der Schläfer zusätzliche Luft durch den Mund bekommt. So argumentieren auch deutsche Hals-Nasen-Ohrenärzte. Andernfalls könnte es gefährlich werden, warnen sie. Social-Media-Influencer oder LifestyleMagazine ficht das allerdings nicht an. Ihr Credo: „Probieren geht über studieren.“ mg ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. Trendsetter, InfluencerInnen oder Follower, die ans Kleben glauben Foto: YouTube-Inside Edition

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