Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 6

zm113 Nr. 06, 16.03.2023, (440) 42 | ZAHNMEDIZIN gepasst. Da es bislang keine Hinweise gibt, dass eine Anwendung von Metamizol in der Frühschwangerschaft problematisch ist, sind Einzelgaben innerhalb der ersten sechs Schwangerschaftsmonate unter Vorbehalt akzeptabel, sofern andere Schmerzmittel nicht eingenommen werden können. Aufgrund der Prostaglandinsynthesehemmung kann die Anwendung von Metamizol im dritten Trimenon wie bei den NSAR zu einem frühzeitigen Verschluss des Ductus arteriosus führen. Daher darf der Wirkstoff imletzten Trimenon ebenfalls nicht eingesetzt werden [Mayrhofer et al., 2021]. Bei sehr starken Schmerzen wie etwa nach einer ausgedehnten Osteotomie oder einem Unfall ist eine Anwendung von Opioiden vertretbar. Derzeit gibt es keine Hinweise auf ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko. Opioide, wie zum Beispiel Tramadol, können prinzipiell in allen Phasen der Schwangerschaft eingesetzt werden [Wunsch et al., 2003]. Allerdings sollte die Verordnung nur nach strenger Indikationsstellung erfolgen [Schindler et al., 2010]. Zu beachten ist, dass bei Neugeborenen, deren Mütter über längere Zeit vor der Entbindung Codein eingenommen haben, Opioid-Entzugssymptome und neonatale Atemdepression auftreten können [Balogh, 2010; Schindler et al., 2010]. In Tabelle 2 sind alle wesentlichen Aspekte der zahnärztlichen Analgetikatherapie bei Schwangeren zusammengefasst. Lokalanästhetika Ist eine Anästhesie für eine Behandlung einer schwangeren Patientin notwendig, sollte — wenn möglich — immer auf ein regionales Verfahren zurückgegriffen werden, um eine systemische Gabe von Medikamenten zu vermeiden und das erhöhte Aspirationsrisiko im Zuge einer Vollnarkose während einer Schwangerschaft zu reduzieren [Mayrhofer et al., 2021]. Nach Malamed sind Lokalanästhetika aufgrund ihrer Omnipräsenz die wichtigsten Wirkstoffe in der Zahnmedizin [Malamed, 2006]. Im Allgemeinen sind die direkten Auswirkungen von Lokalanästhetika auf das ungeborene Kind, auch in höheren Konzentrationen, minimal [Turner und Aziz, 2002]. Negative Auswirkungen auf die Neurophysiologie des Neugeborenen oder teratogene Schäden sind bisher nicht beobachtet worden. Lokalanästhetika weisen eine unterschiedliche Lipophilie und Proteinbindung auf (Tabelle 3). Eine Plazentapassage in den fetalen Kreislauf ist leicht möglich [Schäfer und Peters, 2015]. Das Risiko eines zu raschen Übergangs auf den Fetus ist bei Wirkstoffen mit hoher Plasma-Eiweiß-Bindung geringer als bei solchen mit geringerer Proteinbindung [Pertl et al., 2000]. Da die Plasma-Eiweiß-Bindung bei Feten gegenüber Erwachsenen zusätzlich um etwa 50 Prozent reduziert ist, kann der gesteigerte Anteil des aktiven, ungebundenen Wirkstoffs beim Fetus leichter zu Intoxikationen führen [Daubländer und Kämmerer, 2011]. Dieser Effekt tritt vor allem bei einer fetalen Azidose (zum Beispiel bei eingeschränkter utero-plazentarer Perfusion) auf und kann dann aufgrund der reduzierten Rückverteilung des Lokalanästhetikums zur Kumulation führen und kardiotoxische Nebenwirkungen beim ungeborenen Kind auslösen [Nauheimer, 2012]. Von allen zahnärztlichen Lokalanästhetika hat Articain mit 94 Prozent die höchste Plasma-Eiweiß-Bindung und stellt damit eine sehr sichere Substanz in der Schwangerschaft dar (Tabelle 3). Die Wirksamkeit von Lokalanästhetika wird auch maßgeblich durch die Lipidlöslichkeit beeinflusst. Je größer die Lipophilie, desto eher findet eine Anreicherung in den entsprechenden kindlichen Geweben (zum Beispiel Gehirn) statt. Als Maß für die Lipophilie lässt sich der Verteilungskoeffizient verwenden. Hierbei zeigt sich, dass Articain, Mepivacain und Bupivacian gegenüber Lidocain deutlich geringere Verteilungskoeffizienten aufweisen (Tabelle 3). Somit kann bei Articain durch eine hohe Proteinbindung und eine geringere Lipidlöslichkeit eine hohe Sicherheit für den Fetus erwartet werden. Durch die geringe Eliminationshalbwertszeit von circa 20 Minuten wird es im Vergleich zu anderen Lokalanästhetika sehr schnell metabolisiert [Oertel et al., 1997]. Der fetale Blutspiegel liegt bei etwa 25 bis 30 Prozent der mütterlichen Werte [Strasser et al., 1977]. Die vergleichbaren Werte betragen für Lidocain etwa 50 Prozent und für Mepivacain sogar 70 Prozent [Nau, 1985]. In diesem Zusammenhang weist auch Embryotox darauf hin, dass Articain gegenüber Lidocain die besser geeignete Alternative bei der Anwendung in der Schwangerschaft darstellt und auch Mepivacain nur angewendet werden sollte, wenn andere Lokalanästhetika nicht infrage kommen. Aufgrund von Berichten über ausgeprägte kindCHARAKTERISTIKA DER WICHTIGSTEN ZAHNÄRZTLICHEN LOKALANÄSTHETIKA Substanz Relative Wirksamkeit Relative Toxizität Proteinbindung (%) Verteilungskoeffizient Eliminationshalbwertszeit (min) Erläuterung hoch = geringe fetale Konzentration gering = geringe Toxizität kurz = geringe Toxizität Procain 1 1 5,8 2,0 5 Mepivacain 4 2 78 19,3 114 Lidocain 4 2 77 46,4 96 Bupivacain 16 8 95 28 162 Articain 5 1,5 94 17 20 Tab. 3: Charakteristika der wichtigsten zahnärztlichen Lokalanästhetika, Quelle: Frank Halling

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