Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 6

46 | GESELLSCHAFT zm113 Nr. 06, 16.03.2023, (444) taminierter Orte beschleunigen. USUmweltschutzorganisationen wie der Environmental Working Group (EWG) geht das nicht weit genug. Es gebe PFAS-Belastungen in fast 400 Militäreinrichtungen, berichtet sie und schätzt, dass aktuell mehr als 200 Millionen Amerikaner mit PFAS kontaminiertes Wasser trinken. Zudem handele die Umweltbehörde zu langsam, kritisiert EWG. Die EPA habe von den Risiken durch PFAS mindestens seit 1998 gewusst, es aber versäumt, zu handeln, erklärte die Organisation. Kalifornien reicht Multi-Millionen-Klage gegen Hersteller ein Ganz ähnlich argumentiert der USBundesstaat Kalifornien, als er nach North Carolina, New Jersey und New York und neben zahlreichen Wasserversorgern, Feuerwehren und andere Organisationen in den USA Klage gegen die Hersteller 3M und DuPont einreichte. In der Klageschrift führt der Bundesstaat aus, 3M habe bereits in den 1950er Jahren damit begonnen, die physiologischen und toxikologischen Eigenschaften von Per- und Polyfluoralkylsubstanzen zu testen. Weiter heißt es, „aufgrund dieser internen Studien wusste 3M, dass Per- und Polyfluoralkyl-Substanzen giftig für Mensch und Umwelt sind.“ Kalifornien klagt Medienberichten zufolge insgesamt gegen 18 PFASHersteller und macht geltend, dass die Fabrikanten jahrzehntelang von der Gefährlichkeit der „ewigen Chemikalien“ wussten, ohne etwas dagegen zu unternehmen. Kaliforniens Generalstaatsanwalt Rob Bonta rechnet damit, dass die Klage Hunderte von Millionen Dollar an Strafen und Kosten für die Unternehmen nach sich ziehen. Darum machten jetzt auch große Investoren den Herstellern Druck: Wie die in Göteborg ansässige internationale Umweltschutzorganisation ChemSec (International Chemical Secretariat) Ende November 2022 berichtete, warnten 47 Asset-Manager, die insgesamt ein Vermögen von 8 Billionen Dollar verwalten, nun ebenfalls vor den Gefahren von PFAS. Aus Sorge vor den finanziellen Risiken, die mit Rechtsstreitigkeiten verbunden sind, forderten sie die Chemieunternehmen auf, eine Strategie zum Phase-Out von PFAS zu entwickeln. Zu den Unterzeichnern zählten unter anderem Axa, Aviva und Credit Suisse Asset Management, schreibt Chemsec. Ob die PFAS-Konzentration im Blutserium Einfluss auf die Mundgesundheit, konkret die Amelogenese und Kariesprävalenz von Kindern und Jugendlichen hat, ist offen. Bislang existieren nur wenige publizierte Studien, die keine oder nur eine schwache Evidenz für diese Hypothese sehen. Nach Einschätzung des BfR sind gegenwärtig auch Studiendaten nicht ausreichend aussagekräftig, um die Frage zu beantworten, ob verschiedene bei Kindern beobachtete gesundheitliche Auswirkungen Jugendliche und Erwachsene übertragbar sind. In einer 75-seitigen Stellungnahme zur Toxizität von PFAS aus dem Jahr 2021 zu der Schlussfolgerung, dass die Exposition einiger Bevölkerungsgruppen die tolerierbare wöchentliche Aufnahmemenge von PFAS überschreitet – was mit mittelschweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen verbunden sein kann. Weiter schreibt die Bundesbehörde, es sollten Maßnahmen ergriffen werden, um die Aufnahme der Stoffgruppe „weiter zu minimieren“. Denn „Verbraucherinnen und Verbraucher können ihre Exposition gegenüber PFAS kaum beeinflussen.“ mg GIFT FÜR DIE EWIGKEIT Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) sind Industriechemikalien, die seit Mitte des 20. Jahrhunderts hergestellt und aufgrund ihrer besonderen technischen Eigenschaften (wasser-, fett- und schmutzabweisend) in zahlreichen industriellen Prozessen und Verbraucherprodukten eingesetzt werden. PFAS finden sich in Papierbeschichtungen, Textilien, antihaftbeschichteten Pfannen, Elektronikgeräten und Kosmetika und werden zur Oberflächenbehandlung von Metallen und Kunststoffen, in Reinigungs- und Pflanzenschutzmitteln, in der Fahrzeug- und Bauindustrie, im Energiesektor, in Farben und Feuerlöschschäumen sowie in einer Vielzahl weiterer Bereiche verwendet. Darüber hinaus können diese Verbindungen als Verunreinigungen oder nicht beabsichtigte Nebenprodukte in Verbraucherprodukten vorkommen, informiert das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). PFAS sind chemisch und physikalisch sehr stabil und können durch natürliche Abbaumechanismen kaum gespalten werden. Sie sind mittlerweile weltweit in Gewässern, Böden, Pflanzen und Tieren nachweisbar und können damit auch in die Nahrungskette eingetragen werden. Die Bevölkerung nimmt PFAS über unterschiedliche Lebensmittelgruppen auf: Relevant sind Trinkwasser, Fisch und Meeresfrüchte, aber auch Milch und Milchprodukte, Fleisch, Eier sowie pflanzliche Lebensmittel können ebenfalls messbare Gehalte an PFAS aufweisen. Im menschlichen Körper findet eine nach bisherigen Beobachtungen eine Bioakkumulation statt. Teilweise werden PFAS unverändert ausgeschieden oder aber zu anderen PFAS, beispielsweose Perfluoralkylsäuren (PFAA) verstoffwechselt. Diese PFAA stellen eine „Endstufe“ des Abbaus von PFAS im Stoffwechsel dar. Studien geben Hinweise auf Zusammenhänge zwischen Gehalten bestimmter PFAS im Blutserum und dem Auftreten möglicherweise gesundheitlich relevanter Veränderungen, schreibt das BfR, etwa eine geringere Bildung von Antikörpern nach üblichen Impfungen, erhöhte Cholesterinspiegel und niedrigere Geburtsgewichte. Aus Tierversuchen ist zudem bekannt, dass viele PFAS die Leber schädigen, einige wirken außerdem entwicklungstoxisch und können den Fettstoffwechsel, die Schilddrüsenhormonspiegel und das Immunsystem beeinträchtigen. Ob ein erhöhtes Krebsrisiko für den Menschen im Zusammenhang mit einer PFAS-Exposition besteht, kann laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) derzeit nicht eindeutig belegt werden.

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