Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 8

68 | ZAHNMEDIZIN IDS 2023 Alles fließt – aber wohin? Jan Koch Es ist wieder dentales Leben in die Kölner Messehallen eingezogen – nach der erzwungenen Pandemiepause erwacht einer der weltgrößten Marktplätze für Dentalprodukte zu neuer Geschäftigkeit. Die um ihren Ruf als Weltleitmesse kämpfende IDS hat einen starken Neustart hingelegt. Die Besucher drängten sich an den Ständen und auch von den Ausstellern war ein positives Feedback zu hören. Die IDS feierte vom 14. bis zum 18. März in Köln ihren 100. Geburtstag – und war mit rund 120.000 Besuchern schon fast wieder in altem Glanz zu bewundern. Arbeits-Abläufe oder Workflows waren bei der Internationalen Dental-Schau bislang immer ein großes Thema. So auch dieses Mal: Ganz am Puls der Zeit ging es um die umfassende Speicherung und Weiterleitung von Befunddaten in der digitalenWolke. In den Pressekonferenzen der Unternehmen und beim Gang durch die weitläufigen Messehallen ging es mehr als je zuvor um den Fluss der vielen Daten, die heute bei digitalen Workflows entstehen und nach den Vorstellungen der Visionäre alsbald in Datenwolken (Clouds) organisiert werden sollen. Die Daten werden dabei nicht nur für die therapeutisch ausgerichteten Workflows genutzt, sondern auch für die Kommunikation mit Kolleginnen oder Kollegen, den Patienten und den zahntechnischen Labors. So präsentierte der Firmenverbund Dentsply Sirona eine komfortabel zu bedienende Plattform, die unter Nutzung von Google Cloud (Alphabet) genau in diesen Anwendungsbereich zielt. Auch zahlreiche andere Anbieter, zum Beispiel Align Technologies, Amann Girrbach und Henry Schein, zeigten in Köln cloudbasierte Konzepte. Mit den Cloud-Konzepten versuchen die Unternehmen – mehr oder weniger deutlich kommuniziert – einen möglichst großen Datenpool zu erhalten. Dieser wird dann unter Nutzung von Algorithmen (Künstliche Intelligenz) zum Beispiel für das Design von Restaurationen oder orthodontischen Geräten verwendet. Die Unternehmen betonen weitgehend unisono, dass die Datensammlung primär den Patienten nutzt. Ärztinnen und Ärzte trügen eine entsprechende Verantwortung, die Daten zugänglich zu machen. Konkrete Beispiele, die über intraorale Scans und damit verknüpfte Anwendungen hinausgehen, wurden aber in Köln auch auf den Medienveranstaltungen kaum präsentiert. Daten ungehindert teilen Praxen können mit dem Produkt DS Core der Firma Dentsply Sirona gegen eine monatliche Gebühr bereits seit vergangenem Jahr zum Beispiel Patienten-Stammdaten, Röntgenbilder und andere digitalisierte Befunde in einer zentralen Plattform im Netz (Cloud) bündeln. Neu ist nach Auskunft von Max Milz, bei Dentsply Sirona verantwortlich für „Connected Technology Solutions“, dass die Daten Anbieterunabhängig integrierbar sind. Schrittweise sollen zudem die eigenen Spezialprogramme (unter anderem Röntgen, CAD/CAM) in die Cloud überführt und damit die Zahl der benötigten Anwendungen reduziert werden. Die Dateien lassen sich über einen Link mit Partnern teilen (wahlweise nur als Ansicht), wobei die Datensicherheit nach DSGVO durch Anonymisierung und Verschlüsselung gewährleistet sein soll. Sicherheit soll auch die Speicherung der Daten in europäischen Rechenzentren bieten. Mit solchen Angeboten begibt sich die Industrie in direkte Konkurrenz zum Telematik-Projekt „Kommunikation im Medizinwesen“ (KIM) und weiteren gematik-zertifizierten externen Angeboten wie Praxisverwaltungs-Systemen, Überweisungs-Plattformen und zm113 Nr. 08, 16.04.2023, (650) Dr. med. dent. Jan Koch Dental Text and Consultancy Services Parkstr. 14, 85356 Freising Foto: privat FACHLICHER AUSTAUSCH – MIT SICHERHEIT? Mit KIM und der angekündigten Digitalisierungsstrategie des Bundesgesundheitsministeriums rücken der interdisziplinäre Datenaustausch – und die damit mögliche fachliche Abstimmung – zunehmend in den Fokus. Hinzu kommen Entwicklungen wie die elektronische Patientenakte (ePA) und der geplante europäische Gesundheitsdatenraum. Das Potenzial eines effektiven Datentransfers – Stichworte „Vermeidung von Medikamenten-Wechselwirkungen“ und „verbesserte Versorgungsforschung“ – ist sicher erheblich, aber viele Fragen bleiben offen. So versprechen alle Beteiligten Datensicherheit, doch ist eine absolut sichere Verschlüsselung technisch nicht möglich. Ob bei der Datenarchitektur am Ende die offiziellen Kanäle, die Industrie über externe Dienstleister, hybride Lösungen oder auch Messenger-Dienste die Nase vorn haben werden, wird die Praxis zeigen.

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