Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 10

10 | LESERFORUM zm113 Nr. 10, 16.05.2023, (804) auszuhandeln. Der damalige KZBV-Vorsitzende Wolfgang Eßer hat es 2013 mutig öffentlich geäußert: „Wir haben die Parodontitis nicht im Griff. Wir können unseren Versorgungsauftrag nicht erfüllen.“ Und ja, es ist ein Skandal, wenn jetzt nach der SARS-CoV-2-Pandemie angesichts leerer GKV-Kassen die Regierung zum höchst unoriginellen Instrument der Budgetierung greift und die Anreize für mehr Therapie der Volksseuche Parodontitis nach zwei Jahren jäh zunichte macht. Dies ist aber kein Fehler der neuen PAR-Richtlinie, sondern eine Folge der Pandemie und der Einfallslosigkeit des Gesundheitsministeriums. Warum soll eigentlich die Parodontitistherapie budgetiert werden und prothetische Versorgungen nicht? Präventionsorientierte Zahnheilkunde oder was? Natürlich hat Kollege Rubehn recht, wenn er kritisiert, dass „jede kleine Tasche von Ohr zu Ohr mit 4 mm Tiefe vermessen wird“. Wer Parodontitis behandelt, wo keine ist, handelt so kritikwürdig, wie der, der Karies exkaviert, wo keine Karies ist! Aber was hat unethisches Handeln mit der neuen PAR-Richtlinie zu tun? Auch bin ich komplett auf Herrn Rubehns Seite, wenn er fordert, „unnütze Therapien zu vermeiden und für die begrenzten Mittel eine sinnvolle Allokation zuzulassen“. Angesichts der doch ziemlich deutlichen epidemiologischen Datenlage sehe ich aber auch hier keinen Zusammenhang zur PAR-Richtlinie. Eine Therapie wird ja nicht dadurch sinnvoll, dass ich sie nicht durch die GKV, sondern von den Patientinnen und Patienten selbst bezahlen lasse. Partizipation in Zahnmedizin und Medizin meint nicht, dass die Patientin, der Patient die Therapie aus eigener Tasche bezahlt. Ist es tatsächlich ein Glück, dass sich nicht so viele Patienten ausdrücklich „nach einer Paro-Behandlung sehnen“? Sehnen sich mehr Patienten nach Wurzelkanalbehandlungen oder Zahnersatz? Leider wissen viele Patienten zu wenig über Parodontitis und deren auch allgemeinmedizinische Konsequenzen und Parodontitis wird oft erst im fortgeschrittenen Stadium über Zahnfleischbluten hinaus symptomatisch (Stichwort „stumme Erkrankung“). Das ist ganz bestimmt weder ein Glück für die Patientinnen und Patienten noch für uns Zahnärztinnen und Zahnärzte. Kollege Rubehn gibt uns wertvolle Denkanstöße für den alltäglichen Konflikt von Ethik und Betriebswirtschaft in der zahnärztlichen Praxis. Dafür sei ihm gedankt. Die Volkskrankheit Parodontitis und die neue PAR-Richtlinie sind aber kein gutes Beispiel für diesen Konflikt. Über wie viele Jahre hat die Zahnärzteschaft – zu Recht, aber vergeblich – eine moderne Parodontitistherapie eingefordert. Die Realisierung der neuen PAR-Richtlinie ist von Zahnärztinnen und Zahnärzten in Praxis und Wissenschaft, Patientenvertretern und Politik als Leuchtturmprojekt innovativer Versorgungsverbesserung gefeiert worden. Allerdings ist unser Gesundheitssystem ständig politischen Eingriffen ausgesetzt, die zumeist durch die Kassenlage motiviert sind. Als Berufsstand sollte sich die Zahnärzteschaft der Budgetierung dieser wichtigen Therapiestrecke mit Entschiedenheit widersetzen. Wir sollten dafür kämpfen, dass die Politik die verbindlich zugesagten Mittel für die neue präventionsorientierte Parodontitistherapie freigibt, statt ihr auf den Leim zu gehen und im Nachhinein ein gelungenes Projekt madig zu machen. Univ.-Prof. Dr. Peter Eickholz Poliklinik für Parodontologie Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main Die zm-Redaktion ist frei in der Annahme von Leserbriefen und behält sich sinnwahrende Kürzungen vor. Außerdem behalten wir uns vor, Leserbriefe auch in der digitalen Ausgabe der zm und bei www. zm-online.de zu veröffentlichen. Bitte geben Sie immer Ihren vollen Namen und Ihre Adresse an und senden Sie Ihren Leserbrief an leserbriefe@zm-online.de oder an die Redaktion: Zahnärztliche Mitteilungen, Chausseestr. 13, 10115 Berlin. Anonyme Leserbriefe werden nicht veröffentlicht.

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